Text: Säm Wagner, 08. Oktober 2021

Was machen Tocotronic seit ihrer Gründung richtig? Sie haben sich von Album zu Album verändert, entwickelten sich weiter, blieben ihrem Alter gerecht. Von Tocotronic fühlte man sich als 20-jähriger genauso verstanden (Samstag ist Selbstmord“, „Letztes Jahr im Sommer“), wie man es sich jetzt als Mitvierziger verstanden fühlt („Unwiederbringlich“, „Rebel Boy“). Dirk von Lowtzow und Co. sind mit uns älter geworden.

Schaffen Isolation Berlin diesen Weg auch? Die traurigen Lieder eines jungen Tobias Bamborschke funktionieren in traurigen Momenten, wenn man kurz davor ist irgendetwas zu zerschlagen und stattdessen dann doch in die kleine Kneipe geht, um sich die Wut bis zum Morgengrauen wegzuspülen. Diese Stimmung der juvenilen Ohnmacht, die man hat, nachdem tief drinnen etwas kaputt gemacht wurde.

Das funktionierte bei Isolation Berlin drei Platten lang hervorragend. Aber wie lange soll das noch so weitergehen? Drei Jahre lang ist das letzte Isolation-Berlin-Album jetzt her. Wir wurden älter und Covid-19 wirbelte einmal die Welt durcheinander. Jetzt sind Isolation Berlin zurück. Ist Tobias Bamborschke noch immer so traurig?

Ja, ist er. Bamborschke plagen noch immer diese bösen Gedanken. Die spült er schon gerne weiter runter („Alles was ich will ist noch ein Bier – ja, soll ich denn vertrocknen hier – hallo, ist da irgendwer? – An der Bar? – Ja bringt’s mir doch zur Bühne hin – ihr seht das ich beschäftigt bin – ich muss noch dieses Lied zu Ende singen“ aus „Enfant terrible“). Doch trotzdem machen Isolation Berlin auf dem neuen Album „Geheimnis“ einen großen Schritt. Bamborschke lässt tiefer blicken, er berichtet aus seinem Innersten („Geheimnis“, „Stimme Kopf“). Und er offenbart düsterste Seiten („Irgendwann raste ich aus und dann lacht keiner mehr“ in „Stimme Kopf“).

Die Band ist ruhiger und vielschichtiger geworden. Das Schlagzeug wird zurückgenommen, dafür hört man ein Klavier („Enfant perdu“). Gleich der Opener ist ein klassisches Liebeslied, dass auch aus der Feder von Sven Regener hätte kommen können („Am Ende zählst nur du“) und dann gibt es mit „(Ich will so sein wie) Nina Hagen“ natürlich den großen Indie-Hit, bei dem man vor der Bühne die Faust und die Bierflasche gen Himmel reckt. Isolation Berlin bleiben traurig, wütend und düster. So bieten sie bei bösen Gedanken weiter eine ideale Identifikationsfläche. Weiterentwickelt haben sie sich aber sehr wohl. Und so freut man sich auch auf die nächsten Jahre mit Isolation Berlin.

01.03.2022 Augsburg – Musikkantine
02.03.2022 Freiburg – Jazzhaus
03.03.2022 (AT) Wien – Flex
04.03.2022 München – Technikum
05.03.2022 (CH) Zürich – Bogen F
06.03.2022 Stuttgart – Im Wizemann
08.03.2022 Frankfurt – Zoom
09.03.2022 Düsseldorf – Zakk
10.03.2022 Bochum – Rotunde
11.03.2022 Münster – Gleis 22
12.03.2022 Köln – Gebäude 9
14.03.2022 Hannover – Bei Chez Heinz
16.03.2022 Leipzig – Conne Island
17.03.2022 Kiel – Pumpe
18.03.2022 Hamburg – Mojo Club
19.03.2022 Rostock – Peter-Weiss-Haus
24.03.2022 Dresden – Beatpol
25.03.2022 Berlin – Festsaal Kreuzberg

VÖ: 08. Oktober 2021 via Staatsakt