Text: Nico Beinke, 11. November 2021

Zuerst war der Urknall: „Music for Airports“ von Brian Eno, oder besser der Startschuss für ein neues elektronisches (Sub-)Genre namens Ambient. Brian Eno hat die Genrebezeichnung 1978 der Einfachheit halber gleich mitgeliefert. 1996 legt Howie B. mit „Music for Babies“ nach und die Nähe zu Eno spiegelt nicht nur der Albumtitel. Wenn auch nicht geeignet, um Säuglinge in den Schlaf zu wiegen, ist „Music for Babies“ vielleicht immer noch die Speerspitze des experimentellen Ambient – denn unter uns gesagt: „Music for Airports“ wächst nicht gerade mit der Zeit. Und nun also „Music for Psychedelic Therapy“ von Jon Hopkins. Ein Album wie gemacht um den Reigen zu vervollständigen.

Es scheint ein bisschen so zu sein, dass Ambient einen Zweck erfüllen muss, um ihn von elektronischer „Bedarfsmusik“ bspw. für autogenes Training abzugrenzen. Ob nun ernstzunehmender, künstlerisch wertvoller Ambient immer für etwas, oder für irgendwen sein muss, sei mal dahingestellt. Es ist allerdings der Querverweis zu einer liebgewonnenen Historie, die hier von Hopkins fortgeführt wird und ihn als Traditionalisten ausweist.

„Love Flows Over Us in Prismatic Waves“, dieser wunderbar skurrile Titel scheint wie gemacht, um zu erklären, wie die Hopkinssche Psychedelika-Therapie funktioniert. Die in Dauerschleife mäandernden Drones gleichen Wellen, die zuerst anschwellen, brechen und wieder abklingen. Und in mir kommt gerade das unbändige Bedürfnis auf, zu dieser Musik stundenlang auf die See zu starren. Es ist durchaus schwer „Music for Psychedelic Therapy“ bewusst zu hören, irgendwann schweifen die Gedanken immer ab, finden aber auch wieder zurück, schon aus Neugierde und vielleicht auch, um das Geheimnis, dass dieses Album zu umgeben scheint, zu ergründen.

Was den Jon Hopkins von heute mit dem zu Zeiten seines gefeierten Albums „Immunity“ verbindet, ist lediglich die Elektronik. 2021 ist nichts mehr tanzbar, alles ist offen und weit und tief, sehnsüchtig und schwer zu ergründen, ähnlich wie der Score zu „Interstellar“, an den Hopkins ebenfalls erinnert.

15.11.2021 Berlin – Tempodrom
26.11.2021 Hamburg – Laeiszhalle

VÖ: 12. November 2021 via Domino