Text: Oliver Schröder, 22. Juni 2018

Wenn Jazz anders ist, ist Kamasi Washington monumental anders. Mit dem Doppelalbum „Heaven & Earth“ schafft der Multi-Instrumentalist sein persönliches Universum, mit dem er sich untrennbar verbunden fühlt. Dessen Teil er ist und das Teil von ihm ist. Mit einer Schar Musikern arrangierte er erneut zweieinhalb Stunden Musik, die nicht von dieser Welt sein will und dennoch über weite Strecken überraschend klassisch-konventionell daherkommt.

Washington ist dabei in zweierlei Hinsicht ein Shooting Star. Sein Debütalbum „The Epic“ hinterließ erstens vor drei Jahren in kürzester Zeit eine Tiefe Schneise aus Ungläubigkeit und Faszination und wurde weltweit mit Preisen überhäuft. Und zweitens zieht er bei all seinen musikalischen Tätigkeiten einen goldenen Schweif hinter sich her, der sich als glitzernder Staub auf alles niederlässt, was mit seiner Musik in Berührung kommt.

Es ist dieser unbedingte Wille etwas komplett Neues aus dem Alten zu erschaffen, der den Hörer auch hier unmittelbar in den Bann ziehen muss. Soulgetränkte, freigeistige Spiritualität trifft auf klassische Jazzstrukturen des letzten Jahrtausends trifft auf den Groove der Siebziger Jahre. Coltrane befindet sich weiterhin immer mit im Raum.

Washington hebt sich dabei in seiner durchaus auch inszenierten Größenwahnsinnigkeit nicht nur wohlverdient von anderen Musikern seines Genres ab, sondern er verkauft sich als Gesamtkunstwerk auch an Hörer, die das Spektakel und die große Show wollen. Der Nachteil dieser spirituellen Megalomanie ist, dass die Erwartungshaltung so hoch geschraubt wird, dass rasch Ernüchterung eintreten kann. Dann handelt es sich bei „Heaven & Earth“ nur um ein etwas aufgeblasenes, eklektizistisches Experimentieralbum. Manchmal lässt er uns aber mit seiner Musik von ganz oben auf die Welt herab blicken. Und alleine schon für diese Momente lohnt sich der Weg durchs manchmal unwegsame, manchmal auf Hochglanz polierte Sounduniversum.

07.08.2018 Mainz – Zitadelle Mainz

VÖ: 22. Juni 2018 via Young Turks