Text: David Maneke, 04. April 2019

Diese Stimme ist so poppig, unter den Fittichen eines kommerziell denkenden Musikproduzenten könnte sie zweifellos zur veritablen Nachfolgerin von Lykke Li oder Little Boots hochgejazzt werden. Aber K Á R Y Y N hat sich ganz offensichtlich anderes vorgenommen: am 29. März wurde über die Label-Institution Mute ihr Debütalbum „The Quanta Series“ veröffentlicht. Kontext: über Mute haben, neben vielen anderen, schon folgende Bands Alben veröffentlicht: DAF, Yeasayer, Goldfrapp, New Order und Laibach. Warum das hier interessant ist? Weil es davon zeugt, dass Mute durchaus Raum für Experimente bereitstellt.

Daher ist es schon einleuchtend, dass sie nun per Mute veröffentlicht. Denn ihre zauberhaft poppige Stimme lässt sie von ambitionierter elektronischer Musik begleiten. Die Produktion geizt nicht an Effekten, zitiert schon auch aus der reichen Historie elektronischer Musik. Nicht alles davon will gefallen, doch es folgt kompositorischen Ideen, und das durchaus konsequent. Zum Beispiel der Beginn von „Aleppo“: ungewisse Fragen, die ins Nichts gestellt werden – bis aus dem Nichts ihre Stimme auflebt, dreifach geloopt wird und ebenso plötzlich immer wieder verschwindet. Was über den Song hinweg konstant bleibt, ist verdichtete Unbequemlichkeit, ohne Hoffnungsschimmer. Die klassische Songstruktur verschwimmt, die Frequenz der Abwechslungen wird hoch, es stresst. Das ist schon große Popkunst, die uns angeboten wird; ihr gelingt es immer wieder, ernsthafte Themen außerordentlich komplex aufzuarbeiten und dann doch in eine Form zu bringen, die im allerweitesten Sinne Popkulturell bleibt.

Nun ist „The Quanta Series“ nichts zum seichten Zwischendurchhören, denn man benötigt schon einige Konzentration, um das Album zu erfassen. Die Musik fordert und fördert Assoziationen, wer nicht aufpasst gleitet in eine seltsame Meditation im instabilen Grenzterritorium zwischen Pop- und elektronischer Musik ab. Allein ihre Stimme gibt uns als Hörern doch etwas sehr Vertrautes, einen kleinen Orientierungspunkt in einem akustischen Wunderland mit ständig in Fluktuation befindlichen Horizonten. Kein Beat, der uns meilenweit trägt, keine leicht bekömmlich gesampleten Streicher, kein wiedererkennbares strukturelles Muster. So leicht macht sie es uns nicht. Eigentlich ist „The Quanta Series“, misst man das Album nach etablierten Metriken der Popmusik, ein Himmelfahrtskommando innerhalb der Unterhaltungsindustrie. Aber mein Gott, diese Stimme!

16.04.2019 München – Alte Kongresshalle (+ Apparat)
18.04.2019 Hamburg – Kampnagel (+ Apparat)
10.05.2019 Berlin – Tempodrom (+ Apparat)

VÖ: 29. März 2019 via Mute