Text: Bernd Skischally, 26. April 2019

Das im Südosten Australiens gelegenen Melbourne und die Bay-Area-Metropole San Francisco trennen gut 12.000 Kilometer. Dennoch erfreuen sich beide Städte einiger Gemeinsamkeiten. Beide haben sich von einsamen Inseln zu spürbar stolzen Hochburgen für queeres Leben entwickelt. Hier wie da stehen noch reihenweise niedlicher Backstein-Western-Häuschen aus dem 19. Jahrhundert. Auch ganze Straßenzüge, in denen sich alle erdenklichen Subkulturen mit für Instagram prädestinierter Hipster-Craft verewigt haben, findet man auf beiden Seiten des Pazifiks. Dazu zuhauf teure, aber gut sortierte Plattenläden, Barista-Cafés mit perfekt designten Avocado-Sandwiches und, of course, eine tief verwurzelte Liebe für Konzert-Venues.

Dieser pulsierende Gesamtmix hat in San Francisco die Thee Oh Sees hervor gebracht und in Melbourne King Gizzard & The Lizard Wizard – zwei Bands, die, Altersunterschied hin oder her, im ablaufenden Jahrzehnt genau die gleichen Rock’n’Roll-Strömungen mit ihrer sich stetig wandelnden, progressiven Fuzz- und Heavyness vereint und weiter entwickelt haben. Und vergleicht man ihre letzten Platten, schien es fast so, als befänden sich beide Gruppen zunehmend in einer Art unausgesprochenem Wettbewerb.

Nun wissen wir: Leistungsdruck sucks unendlich. Und was hilft dagegen? Klar, Erwartungen killen, alles anders machen. King Gizzard & The Lizard Wizard tun genau das (wieder mal) mit ihrem 14. Studioalbum „Fishing For Fishies“. Sie durchbrechen die zuletzt praktizierte Prog-Härtespirale in dem sie sich entspannterer Songwriting-Kunst hingeben und dazu sehr straight Blues- mit Funk- und Boogie-Elementen vermengen wie es Ween oder Beck kaum besser hinbekommen hätten. Was in Form von „Cyboogie“, „The Bird Song“ und Konsorten extrem gut gelaunt und easy daher kommt, war im Entstehungsprozess allerdings offenbar alles andere als einfach: „It was kind of strangely one of the hardest records to make – that we’ve ever made,“ sagte Frontmann Stu Mackenzie dem britischen Magazin Dork.

The songs would just keep on changing, over and over and over and over again. They were stitched together, mashed together, stretched, warped… Just bizarre things.!

Die veröffentlichungsfreudigen, australischen Genies wären freilich nicht wer sie sind, wenn der offensichtlich hart erarbeitete, plakative Schönwetter-Boogie, der vermutlich von allen Alternative-Radios mit Handkuss Airplay bekommt, nicht ein Hintertürchen eingebaut bekommen hätte. In diesem Fall: Song und Video zu „Planet B“, einem waschechten Metal-Brett, das zwar zusammen mit den anderen neuen Singles veröffentlicht wurde, das aber nicht auf der neuen Platte zu finden ist. Nur ein Gruß an weniger experimentierfreudige Hardcore-Fans der letzten Platten? Oder doch ein leistungsorientierter Wink mit dem Zaunpfahl für die Oh-Sees-Genossen? Oder gar ein Zeichen für ein schon bald anstehendes, fünfzehntes Album? Man weiß es nicht. Jedenfalls widmen sich King Gizzard & The Lizard Wizard mit „Planet B“ inhaltlich dem einzigen politischen Thema, das 2019 wirklich globale Relevanz haben sollte: der Klimakatastrophe. Die ist sowohl in Melbourne als auch in San Francisco ein bereits sehr unmittelbar präsentes Erlebnis.

11.10.2019 Köln – Carlswerk Victoria
12.10.2019 Berlin – Columbiahalle
16.10.2019 (CH) Zürich – X-Tra

VÖ: 26. April 2019 via Flightless Records