Kennt ihr das, gerade wenn es warm wird, die ersten jungen Triebe an den Bäumen austreiben und zwischen dem noch recht kläglich grün-braunen Boden die ersten zarten Blumen aufgehen? Gerade, wenn alles nach Leben schreit und ein schwerer, süßer, fast schon ordinärer Duft in der Luft hängt, die Existenz oft am unwirklichsten erscheint – so als wäre man in einem Traum, oder zumindest in Watte gepackt. Es muss daran liegen, dass der Organismus nach den Wintermonaten sich erst langsam wieder an dieses Pulsieren, an dieses Niemals-Still-Stehen gewöhnen muss und wir deshalb alles etwas entrückt, wie in Zeitlupe wahrnehmen. So fühlt es sich zumindest für mich an, das „after the blue“ – und so wie die Songs von Kraków Loves Adana muss es sich anhören.
In dieser Zeit passiert es mir häufig, dass ich mich an Szenen aus meiner Kindheit und Jugend zurück versetzt fühle und ich unglaublich traurig werde – nicht, weil ich damals eine traurige Zeit verbracht hätte, sondern weil diese unbeschwerten Szenen so präsent und real und doch für immer vergangen sind. Es sind Szenen unter blauen Himmel, mit einer gleißenden Sonne über satten Rapsfeldern – aber nicht nur idyllisch ländliche Bilder, sondern durchaus auch Erinnerungen an den Geruch von Bahnhöfen im Sommer und von dreckigen, versiegenden Bachläufen. Dann bin ich wirklich einsam.
Und es war eine Zeit ohne Handy und Internet und in der man noch in den Spielwarenladen gegangen ist um all die richtig coolen Actionfiguren wenigstens einmal in den Händen zu halten. Ich glaube, darum erleben die 80er gerade einen solchen Hype – weil diese Generation eben auf der Kippe zum Jetzt stand und das Damals und Heute voll erfassen kann. Ein Leben ohne Internet – heute nicht mehr vorstellbar. Und auch um das geht es mitunter in den Texten der „Songs After The Blue“. Aber generell eben auch um diese Traurigkeit, die verlorene Unschuld, der Einsamkeit, der Entfremdung, dem Erwachsenwerden. Von daher kann man hier von einem Konzeptalbum sprechen. Die Musik ist wavig, dreampopig, sehr reduziert – alles in allem absolut nichts Neues oder Innovatives, aber trotzdem funktioniert das Album der zwei Wahlhamburger ganz wunderbar, weil es eben mit einer gewissen Vergangenheitsverklärung spielt.
Diese simplen, aber umso mehr einprägsamen Melodien, der durch die Bank um die drei Minuten dauernden Songs, tragen nur dazu bei, dass sich diese wahnsinnig poetischen Texte noch mehr in die Großhirnrinde fressen und man sich dabei erwischt, wie man im Verlauf des weiteren Tages ständig diese Verse im Kopf wiederholt. So wenig überraschend der Sound von Kraków Loves Adana auch ist, umso mehr geht das Konzept auf: Man kann sich der Einfachheit nicht entziehen, ist aber auch nicht gelangweilt, weil die Lyrics einen wirklich ins Grübeln bringen. Gerade das Dreiergespann „Heather“, „Hamburg“ und „Resonating Truly“ wartet wahrlich mit Textperlen und eingängigen Refrains auf, dass man einfach nur so im Früher schwelgen kann – und man somit vielleicht versucht, das Jetzt doch öfter mal zu hinterfragen.
13.04.2018 Hannover – Hafven
14.04.2018 Jena – Café Wagner
17.04.2018 Dresden – OstPol
27.05.2018 Münster – Pension Schmidt