Text: Säm Wagner, 12. November 2020

Mitte der Neunziger kam man nicht um sie herum. Egal ob irgendwo ein Joint gedreht oder ein Latte macchiato bestellt wurde – im Hintergrund lief die DJ-Kicks-CD von Kruder & Dorfmeister. Der extrem langsame Elektro-Sound pluckerte vor sich hin, wirkte angenehm entspannt und eckte nirgendwo an. Dazu konnte man inhalieren, die Augen schließen und angenehm wegfliegen.

Die beiden Wiener Richard Dorfmeister und Peter Kruder wurden mit ihrem DJ-Mix weltberühmt. Und begehrt. Schon bald remixten sie Madonna und Depeche Mode, reisten über den Globus, um in den angesagtesten Clubs aufzulegen. Der K&D-Sound fand Nachahmer über Nachahmer. Und alle warteten auf das Debütalbum des Originals. Doch nach dem DJ-Kicks-Erfolg legten Kruder & Dorfmeister lieber ihre gesammelten Remixe vor. Auf Doppel-CD und in einer Kleinstauflage auch als 4-LP-Set (heute zahlen Sammler dafür gerne über 300 Euro. Selbst die Bootleg-Version bringt mehr als 100 Euro). Statt endlich ein Debütalbum zu veröffentlichen, trennten sich 2000 die Wege von Kruder & Dorfmeister. Die beiden arbeiteten fortan an Soloalben oder mit anderen Musikern an neuen Projekten. Über Jahre. Fragen zu einem Kruder-und-Dorfmeister-Debütalbum wurden anfangs noch mit bald, später mit nie beantwortet.

Als die beiden Musiker 2018 wieder zusammen auftraten, um das 25-jährige Jubiläum ihrer einzigen Maxi „G-Stoned“ mit einer kleinen DJ-Tour zu feiern, kam ihnen auch ihre Aufnahmen aus dem Jahr 1995 wieder in den Sinn. Die wurden damals auf zehn Vinyl-Exemplare gepresst, vier davon wurden verschenkt. Diese Aufnahmen – ja, es war das geplante Debütalbum von Kruder & Dorfmeister – landeten auf DAT-Kassetten in Kartons, die nicht mehr beachtet wurden. Bis sie Kruder & Dorfmeister im Frühjahr 2020 doch wieder auspackten und sich schließlich entschlossen, ihr Debütalbum zu veröffentlichen – mit 25 Jahren Verspätung.

„1995“ ist aus der Zeit gefallen, klingt aber 2020 noch immer zeitgemäß. Die 15 neuen Kruder-und-Dorfmeister-Songs bauen auf das Prinzip, das Kruder und Dorfmeister zu Stars hat werden lassen: Entspannter Dubsound, hier mal ein bisserl Drum’n’Bass, Bossanova oder Nu Jazz und vor allem: Geschwindigkeit raus. Das haut schon noch hin, weil: Ein bisserl Entschleunigung tut ja auch 25 Jahre nach 1995 noch Not.

Zu guter Letzt dürfen wir noch auf den brandneuen Zugang unserer Reihe #OpenTape hinweisen. Zusammengestellt von eben jenen Herren: Kruder & Dorfmeister. Und wie es der Zufall so will, ist es tatsächlich unser Tape mit der Nummer 95. Hui! Wir bedanken uns recht herzlich und empfehlen die einstündige Selektion, straight from Vienna. Enjoy!

VÖ: 13. November 2020 via G-Stone Recordings