Text: Maximilian Heß, 25. Mai 2021

Lea Porcelain laufen in der deutschen Pop-Landschaft ein bisschen unter dem Radar. Vielleicht liegt es daran, dass das Duo aus Berlin konsequent englischsprachige Musik veröffentlicht. Oder es liegt daran, dass man der Musik seine musikalischen Inspirationen so deutlich anhört, dass manche es wohl schon als Diebstahl bezeichnen würden. Das neue Album “Choirs To Heaven” knüpft am klassischen Lea Porcelain Stil an, was Pop-Fundamentalisten fuchtsteufelswild machen und alle anderen sehr freuen dürfte.

Schon der Opener von “Choirs to Heaven” klingt viel mehr nach Abgrund als nach dem titelgebenden Himmel. “There is no forgiveness” leiert Sänger Markus Nikolaus mit seiner unverkennbaren Stimme über Instrumentals, die so auch von The Cure oder den späten Joy Division sein könnten. Traditionalisten werden dem Duo diese Hommage-Häresie nicht verzeihen können. Aber wen kümmert es? Denn “Choirs of Heaven” macht gerade dann Spaß, wenn man Lea Porcelain verzeiht, dass sie selbst wenig Innovation in ein stetig statischeres Genre einbringen wollen. Von den Besten stehlen ist das Motto!

Und dieses Motiv steht über allem auf “Choirs To Heaven”. Der Hall von Gesang und Gitarren erstreckt sich ins Endlose. Die unauffälligen Post-Punk Instrumentals bieten ein Fundament für große Synthesizer Momente, begleitet von Texten über Liebe, Leben und Weltschmerz. Wären die elf Songs des Albums etwas staubiger produziert, könnte man sie streckenweise tatsächlich mit Songs von The Fall oder Tears For Fears verwechseln. Singles wie das grandiose “Pool Song” sind unfassbar eingängig. So sauber und authentisch war dieser Sound seit den Achtzigern nicht mehr zu hören. Deshalb fühlt sich “Choirs Of Heaven” nicht wie ein Copy-Paste-Werk an, sondern wie ein nostalgischer Ausflug in eine Zeit, die die meisten selbst gar nicht mehr mitbekommen haben dürften.

Dass Lea Porcelain diesen Sound so gut nachgestalten können, liegt an der Zusammensetzung des Duos. Die Kombination aus Produzent und Sänger ist, anders als die klassische Band, weniger an Standard-Instrumentierungen gebunden. So wechselt das Drumming immer wieder zwischen klar erkennbaren Drum-Machines á la New Order und ihrer legendären Roland TR707 und rau gespielten Punk-Drums auf Songs wie “For Everything You Are”. Highlight des Albums ist übrigens die schon länger veröffentlichte Single “Sink Into the Night” mit ihrem dumpfen Beat und dem treibenden melancholischen Klavier. “Another day, another sacrifice. My tired eyes will sink into the night”. Für solche Zeilen sollte man sich in der Post-Smiths-Ära eigentlich schämen. Dass solche Nummern aber nicht cringe, sondern ästhetische Meisterleistungen sind, hängt mit der enormen Qualität im Songwriting der Beiden zusammen.

Lea Porcelain polarisieren. Wer sich „Unknown Pleasures“ damals am Erscheinungstag gekauft hat, wird sich eventuell schwer tun, einer so klaren Reminiszenz an all die Pioniere des Post-Punk und New Wave etwas abgewinnen zu können. All jenen, die es nicht so mit dem fundamentalistischen Pop-Konservativismus haben, finden mit “Choirs To Heaven” ein Album, das ein auf ganzer Länge gelungenes Retro-Album ist, auf dem einige Songs sogar das Potential zum Klassiker haben.

VÖ: 21. Mai 2021 via Lea Porcelain Recordings