Text: Christian Selzer, 12. Februar 2021

Alles nicht so einfach für Martin Gore. Da trägt der Mastermind von Depeche Mode mit seinem vom Industrial geprägten Songwriting entscheidend dazu bei, dass Depeche Mode zur erfolgreichsten Synthpop-Band aller Zeiten aufsteigt. Trotzdem wollen vier Jahrzehnte später alle nur zu Vince Clarkes „Just can’t get enough” durch die Großraumdisco hüpfen. Zum Glück bleibt Gore noch die Solokarriere, um sich auf der dunklen Seite der Synths auszutoben.

Für seine neue Platte zieht er den Kajal extradick nach und wühlt tief im Synthwave-Archiv der Achtziger. Die EP „The Third Chimpanzee” umfasst fünf Instrumentaltracks und ist vollgepackt mit metallischen Industrial-Sounds, die auch den letzten Putz von den verlassenen Fabrikhallen hämmern.

Mit düsteren Klangflächen, dreckig verzerrten Kicks und neongefärbten Synthlines könnte der Opener „Howler” auch den obligatorischen Endkampf eines John-Carpenter-Slashers untermalen. „Mandrill” horcht mit stampfenden Beats und sägenden Synths in den verhallten Maschinenraum der experimentellen Industrial-Musik hinein. „Capuchin” torkelt zum elektronischen Pendant einer verspulten Spielzeuguhr der 12-Uhr-Tablettenausgabe entgegen und dürfte auch dem hartgesottensten Depeche-Mode-Fan Alpträume bescheren.

Auf seiner Solo-EP lebt Martin Gore seine Leidenschaft für düstere Synth-Sounds aus. Eingängigkeit und ausgefeilte Arrangements wie bei seiner Hauptband sucht man hier vergebens. Die Songs bleiben skizzenhaft, doch gerade darin liegt der Reiz: Der Mix aus Noise, Industrial und Ambient zeigt Martin Gore als kompromisslosen Tüftler, dessen musikalischer Horizont weit über das Massenphänomen Depeche Mode hinausreicht.

VÖ: 17. Februar 2021 via Mute