Text: David Maneke, 24. Mai 2019

Wenn „Pink Ocean“, das Debütalbum der Stuttgarter Band Mayla, am heutigen Freitag herauskommt, dann gilt Morrisseys erstes Soloalbum nach dem Ende der Smiths bereits lange als Chronik einer umgreifenden Depression während der Thatcher Jahre. „Pink Ocean“ wirkt streckenweise wie eine aktualisierte Version, etwas holzschnittartiger und wo die ikonische Blaupause ihre Komplexität musikalisch wie lyrisch durch eine äußerst feingliedrige Differenzierung jeder noch so kleinen Nuance gewann, ist „Pink Ocean“ um einiges leichter dechiffriert. Aber Mayla verstehen es, ein ähnlich unwiderstehliches Armageddon zu kreieren; bittersüß bis zum äußersten, explizit und gleichzeitig gebrochen.

Mayla machen Synthiepop, in einer sparsamen aber kontemporären Interpretation dessen, was in den achtzigern an jeder Ecke aus dem Lautsprecher gescheppert ist. Sie haben dabei auch keine Scheu vor einfachen Melodien, die streckenweise ein bisschen zu leicht gefallen und manches Mal auch in den Kitsch abrutschen. Ein Gespür für schnelle Hits hat die Band ganz zweifelsfrei.

Im Kontrast dazu steht jene Entrücktheit, die hauchzart ins Ohr des Hörers gesäuselt wird. Hier tun sich die Abgründe einer auf sich selbst bezogenen Konsum- und Feiergesellschaft in beklemmender Explizität auf. „Starfuck“ ist so ein Song, an dem sich das verdeutlichen lässt. Getragen von himmelweiter Everyday is like Sunday Melancholie, hauchen Mayla eine dermaßen irrsinnige Fuck the World-Heroin Fantasie vor sich hin, dass einem die Spucke wegbleibt. Brachiale Selbstzerstörung, jeglichem Sozialen entrückt und wo Morrissey sich noch sehnlich wünscht, nicht hier zu sein, produziert Mayla das eigene Elend durch die unverbrüchliche Bestätigung einer brüchigen Selbstlüge gleich mit. Im Kontrast zwischen Musik und Text liegt die Perfidität des Songs, und dort dient sie zur Blaupause für das ganze Album.

Im Grunde stellen Mayla die Frage, ob das materialistisch geprägte Lebensgefühl, das schon in Christian Krachts „Faserland“ zur Schau gestellt wurde, nicht doch nach wie vor eine genauere Betrachtung wert ist. Es wirkt manchmal ein wenig anachronistisch, dieses Schwelgen in der eigenen Entrückung. Und Mayla tun sich gewiss nicht nur als Beobachter ihrer Generation hervor, sie sind auch Architekten derselben. Nicht zuletzt die kontemporäre Anachronistik die einem jeden Revivalunternehmen inhärent ist, unterminiert das Vertrauen des Hörers darein, dass Mayla „nur“ Beobachten. Allein, die Band spielt mit all diesen Fragen; legt sich den Hörer auch dahin wo sie ihn haben will und so entstehen Irritationen – nachzulesen in dem Versuch einer Erklärung zu dem Stück „Alaska & Hawaii“.

Aber: Mayla machen ihr Ding radikal, gehen keinerlei Kompromisse ein. Wo immer man auf „Pink Ocean“ hinschaut, lauert die Möglichkeit einer bissig ironisierten Stolperfalle. Es besteht die Gefahr, dass man sich in einem interpretatorischen Zirkel mit Meta- über Metabeobachtung verstrickt. Und man darf wohl davon ausgehen, dass dies, wenn nicht ohnehin billigend in Kauf genommen, dann doch wenigstens per Zufall sehr im Sinne der Band ist.

12.06.2019 Stuttgart – Sound of Stuttgart

VÖ: 24. Mai 2019 via Mayla