Text: Oliver Schröder, 09. April 2021

Als das Album „No Future Days“ eines Morgens aus unruhigen Träumen erwachte, fand es sich in seinem Bett zu einem ungeheurem Ungeziefer verwandelt. Es lag auch nicht mehr wie gewohnt in einem von zuckendem Neonlicht durchfluteten Nachtclub, sondern in einem riesigen Raum, in dem nichts mehr wie vorher war.

Messer taten das einzig richtige mit ihrem 2020-Album, das nicht in die Clubs und Konzerthallen getragen werden durfte. Sie leiteten mithilfe des finnischen Produzenten Kimmo Saastamoinen (Toto Belmont) eine Verwandlung ein, bei der die meisten vorhandenen Postpunk-Merkmale resorbiert oder gleich ganz abgestoßen wurden. Die noch erkennbaren Ur-Teilchen bewegen sich langsam und wellenförmig umher und bilden Soundcluster: tickend, pulsierend und von Echos umgeben, die von allen Seiten auf den Hörer niedergehen und die Sinne angenehm verwirren.

Hans Nieswandt weist im Pressetext selbst darauf hin: „No Protection“ – Mad Professors Dubversion von Massive Attacks zweitem Album – dient hier sicherlich als Referenzpunkt, mit dem man auch als Nichtkenner elektronischer Musik etwas anfangen kann. Auch Toto Belmont führt das Konzept Remix bis an die Grenze der Neukonstruktion. Das gilt für alle Stücke, ist aber wohl mit am deutlichsten bei „Dyyni“ zu spüren, für das das scharfkantige Postpunk-Stück „Die Frau in den Dünen“ – auf die zweieinhalbfache Fläche ausgerollt wurde. Bei dem Vorgang verschwamm die griffige Textur des Originals, Gesang und Gitarre sind nur noch schemenhaft im Hintergrund zu erkennen.

Dass „Not Future Dubs“ nicht nur zum Kiffen und Chillen einlädt, sondern den Hörer spätestens beim Dub-Techno von „Tape 10“ dazu verdammt, mit dem Klappstuhl vor den geschlossenen Lieblingsclub zu campieren, ist ein tragischer Umstand, der aber noch einmal die Wichtigkeit der Platte in diesen Tagen unterstreicht.

VÖ: 09. April 2021 via Trocadero / Turnland