Text: Jan-Frederic Goltz, 15. Februar 2018

Wer sind oder besser waren wohl diese Menschen am Sonntag in Berlin? Man müsste Robert Siodmak und Edgar G. Ulmen fragen können, die 1930 Regie für den gleichnamigen Stummfilm führten, der bereits kurz nach seiner Veröffentlichung zu einem Meilenstein der deutschen Filmgeschichte gekürt wurde. Bilder und Menschen einer Stadt, die es so nicht mehr gibt, aber ein Thema, was bis heute unerlässlich viel Potential für kreatives Schaffen bietet.

Múm selbst fanden ebenfalls genug Inspiration, um diesem Klassiker musikalisches Leben einzuhauchen und in den heutigen Kontext zu setzen. Die Idee der Nachvertonung und Interpretation ist nicht neu, aber schaut man sich die beachtliche Diskographie und das Werk der 1997 gegründeten Band an, ist diese Spielart eine durchaus willkommene Abwechslung. Wenn ich richtig nachrechne, war es nun ganze fünf Jahre lang relativ still um die Isländer – zumindest was die Quantität der Veröffentlichungen angeht. Jetzt aber. Die Live-Mitschnitte der vier bis minütigen Stücke passen allesamt auf eine limitierte 10“, die anlässlich der anstehenden Berlinale veröffentlicht wird.

Zu hören sind Synthesizer-Läufe, die vom Sound-Charakter ein wenig an krautig anmuten, sowie Piano-lastige Stücke, begleitet von perkussiven Elementen, die für den ungeübten Múm-Hörer leicht in der Schublade „Musik zum Tröumen und dahinschmelzen“ („Evaporate“) einsortiert werden könnten. Partiell driftet man hier und da auf die zeitgemäße Nils Frahmsche’ Spielwiese („My Claws“) ab, gerade wenn sich Delay- und Reverb-Effekte langsam zu Rhythmen steigern und formen und sich im Unendlichen verlieren. Vielleicht muss man es im Filmkontext sehen, wenn Bilder nach so vielen Jahren plötzlich sprechen lernen.

17/02/2018 Berlin – Radialsystem (Silent Film Performance)
18/02/2018 Berlin – Radialsystem (Silent Film Performance)

VÖ: 16. Februar 2018 via Morr Music