Text: Christoph Walter, 13. Februar 2020

Nachts schweißgebadet aufzuwachen ist nicht unbedingt das, was man sich wünscht. Für Nathaniel Rateliff war der nächtliche Schweißausbruch aber zumindest im übertragenen Sinne das Beste, was ihm in musikalischer Hinsicht passieren konnte.

Zum einen hat der ehemalige Lastwagenfahrer und Arbeiter in einer Flaschenfabrik mit seiner furiosen Soulband The Night Sweats Erfolge gefeiert, die er sich wohl selbst nie hätte träumen lassen (Goldstatus für die erste der beiden LPs in den USA, dazu Auftritte in nahezu allen wichtigen Latenight-Shows), zum anderen werfen diese Erfolge aber nun auch ein helleres Scheinwerferlicht auf das Soloschaffen des Mannes aus Denver. Ein großartiger, gewitzter Songwriter war Nathaniel Rateliff ja schon vor den Night Sweats, aber aller lobenden Kritiken zum Trotz gab es dann doch nie die ganz große Aufmerksamkeit, die kleine Meisterwerke wie das bislang letzte, 2013 erschienene Soloalbum „Falling Faster Than You Can Run“ eigentlich verdient gehabt hätten.

Gut, dass sich das bei „And It’s Still Alright“ jetzt anders verhalten dürfte, denn auch diese Platte ist wieder ein zeitlos schönes Kleinod geworden. Den Fehler, direkte Vergleich zum fiebrigen, tanzbaren Sound der Night Sweats zu ziehen, darf man natürlich nicht machen, aber selbst gemessen an den anderen Solosachen Nathaniel Rateliffs ist „And It’s Still Alright“ ein ruhiges, nachdenkliches und teilweise sehr berührendes Album. Kein Wunder, verhandeln die zehn Songs darauf doch gleich mehrere einschneidende Erlebnisse im Leben des Amerikaners. Ursprünglich sollte es „nur“ ums Zerbrechen von Nathaniel Rateliffs Ehe gehen, dann kam aber auch noch die Nachricht vom Tode des langjährigen Produzenten und engen Freundes Richard Swift hinzu. Auf diesen Verlust bezieht sich das hervorragende Titelstück, in dem sich in die Trauer ein leichter Hoffnungsschimmer mischt:

Times are hard you get this far but it ain’t the way that you want
I’ll be damned if this old man don’t start to counting his losses
But it’s still alright

Diese Mischung aus lähmendem Schmerz und dem ungebrochenen Willen, weiter nach vorne zu blicken, ist typisch für die gesamte Platte, in der sich Nathaniel Rateliff mal als Bluesman alter Schule („All Or Nothing“), mal als lässiger Country-Crooner („Tonight #2“ mit eleganten Streicher und Backgroundchor) und mal als augenzwinkerndes Schlitzohr wie im bittersüßen „You Need Me“ präsentiert.

Allen, die womöglich selbst gerade nicht so recht wissen, wie es weitergeht, ruft Nathaniel Rateliff ganz am Ende von „And It’s Still Alright“ noch ein aufmunterndes „Rush On“ zu. Da ist ein Licht am Ende des Tunnels – und diese Platte kann dabei helfen, den Weg dorthin ein wenig zu erleichtern.

23.04.2020 Berlin – Admiralspalast

VÖ: 14. Februar 2020 via Stax Records