Text: Stefan Killer, 15. Januar 2021

NEØV hat nach der Veröffentlichung seines dritten Albums die Zehen in internationales Fahrwasser getaucht und schnell gemerkt, wie sehr die weite Welt doch schlauchen kann. Zurück in der finnischen Heimat machte sich das Duo daran, das Gelernte aus dem Koffer in Klänge zu packen. Herausgekommen ist „Picture of a Good Life“, ein Indie-Gitarrenalbum, das in Sachen Atmosphäre derzeit seinesgleichen sucht.

Und das hat einen guten Grund. Schließlich haben sich die Gebrüder NEØV, also Anssi und Samuli Neuvonen, für die Aufnahmen ihres vierten Langspielers keinen geringeren Ort ausgesucht als Clouds Hill, das renommierte Analogstudio Johann Scheerers in Hamburg. Für das Duo ein großer Schritt, denn den Vorgänger hat es noch in DIY-Manier zu Hause aufgenommen.

Auf „Picture of a Good Life“ dominieren die Stratocaster, insbesondere der Halstonabnehmer der Gitarre, wohldosierte Effekte und Tontechnik erster Güte. Doch was wäre Equipment ohne die Menschen, die damit umzugehen wissen, nech? Im Zusammenspiel mit dem geradlinigen und doch dynamischen Schlagzeug ergibt sich ein Klangbild, das Hausproduzent Sebastian Muxfeldt nur noch mit Bass untermauern und in Hall tränken musste, um dem Geist von Clouds Hill seinen Lauf nehmen zu lassen. Und das macht „Picture of a Good Life“ so eingängig wie unnahbar. Hitverdächtige wie „Island“, „Burnt My Fingers“ und der Titeltrack sind eigentlich keine, im Gegenteil: Sie wirken eher wie wellenreitende Zufallsfunde, die auf dem Weg über die Ups und Downs der rauen nordischen See an Strahlkraft eingebüßt haben, nicht aber an Wirkung.

Anssi Neuvonen versteht das Phänomen so: „Samuli und ich sind viel mehr an Kunst und Musik interessiert, die Schwierigkeiten und innere Kämpfe thematisiert, als an Musik, die nur ein Abbild eines angeblich guten Lebens ist.“ Und das trifft es. Sei es Robert Smith’ Hang zur Melancholie, Ludovico Einaudis konsequenter Minimalismus oder das hinzugewonnene Taktgefühl für den Rest der Welt, NEØV bringt mit „Picture of a Good Life“ sanftes finnisches Licht ins grobe Independent-Dunkel.

VÖ: 15. Januar 2021 via Clouds Hill