Text: David Maneke, 23. August 2018

Der Rezensent hat gerade zum wiederholten Male „Parts“ durchgehört, das Debütalbum der Chicagoer Band Ohmme. Und nun steht er vor einer Herausforderung: eine wirklich stimmige Beschreibung dessen, was Ohmme da anbieten, ist ein aussichtsloses Unterfangen. Auf ein noisiges lo-fi Grundrauschen kann man sich wohl schon einigen, aber da hört es mit der stilistischen Konsistenz dann auch schon auf.

Dass das Album „Parts“ betitelt ist, ergibt Sinn. Es wirkt, als habe die Band auf ihrem Debüt viele heterogene Ideen zu einem großen Ganzen zusammengesetzt und mal grundlegend jede Facette erprobt, die die Band zu spielen in der Lage ist. Man merkt, dass die Musiker sich eher weitläufig abgrenzen – und das kann man durchaus erfrischend finden. Der Opener „Icon“ gefällt mit seinen vergleichsweise heiteren Melodien und einem ansteckenden Drive, das fulminante „Grandmother“ wummert meditativ-psychedelisch vor sich hin, „Sentient Beings“ schlägt hingegen eher ruhigere Töne an. Hier merkt man, dass Ohmme ein unbestrittenes Talent zum Songwriting haben, denn alle genannten Songs sind raffiniert auskomponiert.

Leider kann die Band dieses Niveau nicht immer durchhalten. Andere Songs wirken etwas hastig zusammengesetzt, zu hektisch wirken die Übergänge, zu brutal die Gegensätze. In diesen Momenten scheinen der Band die Ideen etwas über den Kopf zu wachsen. Nicht jede Idee aus dem überbordenden Repertoire der Musikerinnen will sich in eine Songstruktur pressen lassen. Und so entpuppt sich das Album als Stresstest für die Beziehung zwischen dem Teil und dem Ganzen – und macht seinem Namen alle Ehre. Den offenkundigsten Beleg findet man im „Song Peach“, wo die Strophen ein wilder Ritt durch irgendwelche Noise-Jazz Experimente sind, der sehr kurze Refrain dann aber einen scharfen Schnitt setzt. Hier wäre weniger vielleicht etwas mehr gewesen, aber solche Eindrücke muss man bei einem musikalischen Experiment vermutlich eingehen. Und so bleibt der Eindruck, dass „Parts“ weniger als Album funktioniert, sondern viel mehr als eine Art Werkschau: jeder Song ist ein eigenes Universum, mal gerade groß genug um ein außerordentliches Unikat hervorzubringen, mal so unüberschaubar, dass es über die Musiker (und den Hörer) hinauswächst.

Der geneigte Hörer wird in „Parts“ eine Herausforderung finden, die er annehmen muss. Wer sich auf ein Experiment einlässt, wird viel zu hören kriegen, findet Songs vor, die wunderbar durchkomponiert sind, findet aber gleichermaßen auch Songs, die überfordern können. Man findet früh Highlights auf der Platte, aber man muss sich darauf einstellen, dass der Finger immer mal wieder auf die Skip-Taste zuckt. „Parts“ ist ein wildes Album, roh und ungeschliffen, bisweilen auch Stückwerk. Aber es steht auch Zeugnis für die überwältigende Energie und Kreativität der Band – am Ende mehr Flickenteppich als klassisches Album, dafür aber auch ein Erlebnis. Und dort wo die Band es schafft, Herr ihrer eigenen Kreativität zu werden, ist es herausragend komponiert. Sie schafft es nicht immer, aber wer will ihnen das verdenken.

VÖ: 24. August 2018 via Joyful Noise Recordings