Text: Stefan Killer, 04. Juni 2021

Wer sich von Oslo Tapes entführen lässt, erfährt nordeuropäische Grenzgänge. Das Trio aus Italien bringt nicht nur in Sachen Namen eine Affinität zu Norwegen mit. Nein, auch der Musik liegt eine Weite und Wildnis zugrunde, die an nasskalte Fjorde erinnert. Und doch zieht es „ØR“ auch immer wieder gen Süden.

Der Song „Bodø Dakar“ etwa ist bei genauem Hinhören mehr geprägt durch den westdeutschen Krautrock der Siebzigerjahre als von den offenkundig afrikanisch anmutenden Trommeln. Die skandinavische Schwere und Kälte durchdringt das treibende „Zenith“, wenngleich hintergründige Synth-Melodien vielmehr mit nahöstlichen Ritualen in Verbindung stehen. Der Gesang dient meist mehr als zusätzliches Instrument denn als inhaltliche Ebene.

Die Avantgarde-Band schreibt Songs, die nur scheinbar im Kulturkampf mit sich selbst stehen. Was „ØR“ in seiner Gänze offenbart, sind wohltuende Klanggemälde, die in diverse Regionen des Bewusstseins entführen und zugleich erden. „Cosmonaut“ klingt wie eine Art Versöhnung mit dem Fremden, ehe das jazzige „Exotic Dreams“ kurze Zeit später die Verschiebung hin zum Entrückten effektgeladen forciert.

Oslo Tapes will Grenzen verschieben, Kulturen versöhnen, in der Zeit reisen. Und „ØR“ ist das gut geölte Metronom dafür. Geradewegs geht die Platte quer durch die Musikgeschichte — vom Ursprung der Trommel bis hin zu frühen Elektro-Arpeggios. Mitreißend und wohlig düster ab Track eins. Und um ehrlich zu sein: Gesang, Texte und Namen sind am Ende doch nur Schall und Rauch.

VÖ: 04. Juni 2021 via Pelagic Records