Text: Matthias Eichler, 20. November 2020

Man sagt, dass fast jeder Traum ein Vexierbild sei, mit der zentralen Frage „Wo ist der Tod?“. Dies ist nicht nur ein interessantes Thema in der Psychoanalyse, sondern vermutlich auch ein vertonter Leitgedanke Paisiels, die mit „Unconscious Death Wishes“ eine 39-minütige experimentelle Komposition erschaffen haben.

Das in Porto ansässige Duo Paisiel, gegründet 2014, besteht aus dem portugiesischen Schlagzeuger João Pais Filip und dem deutschen Saxophonisten Julius Gabriel. Zwei Vollzeit- und vor allem Vollblutmusiker verschiedener Genres und Disziplinen. Ihr neues Werk kommt am 20. November in die Läden und verspricht eine pausenlose Wanderung durch paralysierende Welten. „Unconscious Death Wishes“ ist ihre Art, in Julius´ Worten „Landschaften, Formen, Farben, Proportionen und Bewegungen“ hervorzurufen.

Es ist verblüffend wie schnell sich ein Unterbewusstsein in das Netz von Paisiels neuester Platte verfangen kann. Subtil und sanft in einen tranceartigen Sog geratend, anderen Gedanken noch hinterherschweifend und doch gelähmt vom zarten, raffinierten Rausch. Und mit einem Augenschlag wird man gewahr, dass man sich schon mitten in Paisiels erschaffenem, akustischem Exil befindet.

Sachte und gedämpft, leise und traurig beginnt ihr Werk, um nach und nach verschiedene eingefadete Instrumente einzuflechten, eine Reihe Percussions, Synthesizer und nicht zuletzt ein expansives Saxophon. Schüchterne Drum-Rhythmen, die sich zu drohenden, aufgebracht-nervösen Flüchen entwickeln und damit schwillt die Brust dieses eklektischen Werkes minütlich an. Die Atmosphäre wächst beständig zu einem dichten Geflecht aus Gefahr und Bedrängnis und die damit verbundenen ausströmenden Pheromone flüstern in ihrer Ausweglosigkeit ein heiseres „Kämpf oder stirb!“.

Eine Expedition, um sich den komplexen Verbindungen zwischen Wunsch und Tod zu widmen und dem Zuhörer einen kosmischen Schlüssel an die Hand zu geben, ein Schlüssel, der alle Arten von Emotionen und Geisteszustände freizulegen vermag. Die Sinnleere als Ausgangspunkt einer Flucht vor der Realität, als auch die lähmende Angst der Reflexion seiner bisherigen Lebenswahrheit beschäftigen Paisiel und fordern eine unbarmherzige Betrachtung, die Untergang oder auch Balance bedeuten kann. Die Entledigung irdischer, meist gehaltloser Sorgen findet in dieser pausenlosen Anordnung wechselnder Arrangements ihre schrankenlose Umsetzung, enigmatisch und schleichend wie Propofol. Licht in diese Art von Dunkelheit zu bringen ist vor allem eins nicht – ein Spaziergang.

VÖ: 20. November 2020 via Rocket Recordings