Text: Maximilian Heß, 18. Februar 2022

Wer behauptet, Jazz zu mögen ist entweder ein Lügner, ein Profimusiker oder ein Kultur-Snob. Da, ich habs gesagt. Glücklicherweise bin nicht alleine mit dieser zugegeben sehr stumpfen und provokanten Meinung: Die Wiener Band Pauls Jets fällt auf ihrem neuen Album “Jazzfest” ein ähnliches Urteil, gerade über all jene, die ernsthaft gleichnamige Feste besuchen. Darüber mag man sich leidenschaftlich streiten, Pauls Jets liefern mit ihrem neuen Album auf jeden Fall den perfekten Soundtrack für diesen Streit.

Mit Jazz hat „Jazzfest“ klanglich allerdings überhaupt nichts zu tun. Im Opener “Jazzfest” singt Sänger Paul Buschnegg noch selbstbewusst, dass die Pauls Jets ja eine Jazz-Band wären, die bald auf einem Jazzfest spielen würden. Unterminiert wird das allerdings vom Elektro-Pop-Beat des Songs und der etwas verwirrenden Diskussion über Jazz und Musik, die mitten im Song beginnt. Das erinnert ein bisschen an hanseatische Dada- und Kraut-Legenden mit Zitrusfrüchten im Namen. Vor allem macht der Opener aber eines klar: Pauls Jets haben beschlossen, dass sie sich weder auf einen musikalischen noch einen atmosphärischen Stil einengen lassen wollen. Und dass sie nicht vorhaben, Gefangene zu machen.

Aber was ist „Jazzfest“ denn jetzt für ein Album? Darüber lässt sich wenig sagen. In erster Linie ist es: lang. Die 18 Songs gelten nicht umsonst als Doppelalbum. Und in diesen 18 Songs finden sich allerlei Spielereien. Beispielsweise der Song “Therapy”: Auch er hat einen spoken word-Teil, der an eine Therapie erinnern soll, musikalisch ist er aber eher irgendwo zwischen Kraut und Psychedelic anzusiedeln. Psychedelic, Kraut, ein bisschen Elektro-Pop, darauf merkwürdige Texte auf Wienerisch? Das klingt dann doch wieder vertrauter. Und dann kommen Songs wie “Baby” um die Ecke und reißen alle Erwartungen, die man irrigerweise inzwischen vielleicht an das Album entwickelt haben könnte wieder zusammen. Wo kommt dieser saxophonverseuchte Schlagersound bei “Baby” her? Es wäre so einfach und irgendwo so befriedigend, Jazzfest als merkwürdige und befremdliche Sound-Compilation abzustempeln und auf den Haufen gescheiterter Pop-Experimente zu werfen. Das Problem ist nur: Fast alles, was Pauls Jets auf Jazzfest anfassen, funktioniert. “Baby” ist ein großartiger Pop-Song, mit verspielten Sound, der perfekten Menge Kitsch und Melodien, die – egal wie sehr man sich wehrt – im Kopf bleiben.

Es gibt natürlich Trotzdem Höhen und Tiefen auf Jazzfest. “Der Wecker läutet früh am Morgen” überspannt den Bogen beispielsweise. Noisige Instrumentals treffen auf leiernde, mit Autotune übersättigte Vocals. Natürlich, im Albumkontext ist sowas nur konsequent. Aber Spaß macht es trotzdem nicht. Doch diese offensichtlichen Lowlights sind sowohl selten als auch in Anbetracht der üppigen Albumlänge verkraftbar.

A propos Album: Es gibt ja durchaus jene, für ein ein Album klanglich kohärent sein muss, damit sie es beim hören genießen können. Für all die ist „Jazzfest“ wahrlich nichts. „Jazzfest“ ist kein pläsierliches Album für den Hintergrund, das durch seine Soundästhetik besticht. „Jazzfest“ ist ein Brocken Musik, der Aufmerksamkeit verlangt. Wenn man sich dessen aber bewusst ist, macht „Jazzfest“ mehr Spaß als jedes Jazzfest.

11.05.2022 München – Milla
12.05.2022 Erfurt – Kulturquartier
13.05.2022 Hamburg – Molotow Skybar
14.05.2022 Offenbach – Hafen 2
16.05.2022 Köln – Die hängenden Gärten von Ehrenfeld
17.05.2022 Düsseldorf – Kassette
18.05.2022 Ulm – Gold
19.05.2022 Nürnberg – Club Stereo
20.05.2022 Stuttgart – Merlin
21.05.2022 Karlsruhe – Kohi
22.05.2022 Nittel – Weingut Karl Sonntag
03.06.2022 (AT) Wien – Flex
04.06.2022 (AT) Wiener Neustadt – Triebwerk
28.06.2022 Leipzig – Ilses Erika
29.06.2022 Berlin – Lido
30.06.2022 Bayreuth – Glashaus
29.07.2022 (AT) Feldbach – Open Air Kugelmühle
24.09.2022 (AT) Graz – PPC
07.10.2022 (AT) Trimmelkam – Sakog
08.10.2022 (AT) Innsbruck – Talstation
14.10.2022 (AT) Mödling – Red Box

VÖ: 18. Februar 2022 via Staatsakt