Text: Stefan Killer, 21. November 2018

Oliver Burghardt alias Pink Lint ist ein Neutrum – zumindest in Sachen Gender. Oder nicht? Auf seiner Facebook-Seite bezeichnet sich das Musikindividuum jedenfalls als neutrales „it“, das sich auch sprachlich nicht festlegen will. Ob Posts nun in Deutsch, Englisch oder zweisprachig verfasst sind, ist in Zeiten digitalen Kauderwelschs und nationaler Bedeutungslosigkeit ohnehin egal. Das entspricht dem Zeitgeist – wie auch Oliver Burghardts zweites Album „Don’t Pull The Rug From Under Your Horse“.

Darauf fasst der Sänger und Liedermacher seinen selbstbenannten „Weird Folk“ in englische – also an die Welt gerichtete – Worte, kommentiert im Stück „Et tu, brute?“ aber beispielsweise das Unglück eines hiesigen Rentners:

in 2013 a german pensioner
jumps from a balcony
when i’m not busy throwing pennies after him
i promise that i will
learn to laugh more ruthlessly

Große Gesten und globale Aufreger spart Pink Lint in seinen großartig kleinen Anekdoten bewusst aus. Lieber auf die wichtigen Dinge konzentrieren. Zum Beispiel: masturbieren oder gleich in die Arbeit fahren („Rund Dog, Run“)? Der Wahlberliner lässt seine ehemalige Band und auch andere enge Bande in seiner Heimat ruhen, um alleine auf Identitäts- und Sinn(es)suche zu gehen. Schwarzer Humor und Unvorhergesehenes dürfen natürlich nicht fehlen. So abrupt der aufgeblasene Chorus (im Vergleich zum Rest des Stücks) „Fiddler“ beispielsweise einsetzt, so schnell verwirft Pink Lint ihn wieder. Immer, wenn der Kitsch droht, folgt schlagartig die erhoffte Gegenbewegung in Form von vokalen oder instrumentalen Pointen.

Kaum zu glauben, dass von der Band des 2014er Debüts nicht viel mehr übrig ist als chorischer Gesang und sporadisch eingesetzte Synthesizer-Nuancen. Weder dem Klang noch der Prägnanz hat dieser Minimalansatz geschadet. Von der oft verzweifelt wirkenden Kontaktaufnahme per Direktansprache über rudimentäre Perkussion bis zum wankelmütigen Gitarrenstil ist Pink Lint, was sich die meisten Individuen der Singer-Songwriter-Zunft nicht trauen: nichts Ganzes und nichts Halbes. Aber in gut und aus Überzeugung. Schließlich gehört einiges dazu, in Bobs Genre den Anti-Dylan zu markieren.

VÖ: 23. November 2018 via Listen Records