Text: Patricia Leuchtenberger, 22. Juli 2022

Wäre „The Condensation“ von Seasoning ein Outfit, dann bestünde es aus einer verwaschenen Levi’s-Jeans, einem ausgebleichten Retro-Shirt und einem Paar alter Converse. Doch fokussiert man sich nicht auf das äußere Kostüm, welchen dem offensichtlichen Klischee der Indie-Musikszene entspricht, erkennt man schüchterne Experimentierfreude in noch nie da gewesenen Farben.

Ein Wasserfall, ein Mann, ein Saxofon. Der Track „Next To Me“ steigt völlig unerwartet mit starken Souleinflüssen ein, welche gar nicht so richtig zum ästhetischen Sommer passen mögen. Und dann andererseits schon. Diese Harmonie, diese Ruhe, mit der der Sänger Lachlan Buckle melancholische Passagen runter säuselt, hat eine Anmut, die mit Streichern und beckenlastigen Jazz-Drums weiter ausgebaut wird. Man kann nicht anders als sich endlose Lavendelfelder vorzustellen, bis schnelle Strophen den ausschleifenden Refrain wieder ablösen. „Next To Me“ wagt in der sechsteiligen Platte den experimentellsten Ansatz und sticht am meisten heraus, wobei auch in den anderen Songs abwechselnd ein unterschwelliges Klavier, klare E-Gitarren oder leise Percussionrhythmen mitklingen.

Allerdings greift sich dieser typische Indie-Pop/Folk-Sound, den man mitunter von Wallows oder Real Estate kennt, mehr Raum als er sollte und verwehrt eine ehrliche Exploration in den vorhersehbaren Songstrukturen; so wie beispielsweise bei „Friends“. Was manchmal in den Übergängen etwas holprig, aber größtenteils heil vonstattengeht, ist die fließende Bewegung zwischen Indie-Folk und Dream-Pop, wie man ihn von Beach House oder Alvvays gewohnt ist. Hat Lachlan Buckle, Multiinstrumentalist und Kern der losen Zusammensetzung des Projekts Seasoning, nach vier Jahren Pause, seit 2018 eine erste Single veröffentlicht wurde, nun eine klare Linie und einen Signature-Sound gefunden. Und so schreibt Buckle nicht nur alle Songs auf der EP, sondern produziert und realisiert sie selbst. Hilfe hat er lediglich bei der technischen Umsetzung, bei Musikvideodrehs von Joseph Carra und in Sachen Mastering von Jack Cassidy, in Anspruch genommen. Noch mehr Independent geht nicht.

Und noch intimer als auf dieser Platte könnte Musik nicht sein: Es geht um Gefühle, Gefühle, Gefühle, Einsamkeit, um Liebe zu Freunden und erstaunlich wenig um romantische Liebe. Die leichte, naive Authentizität der unerfahrenen Gruppe strahlt einen solchen Charme aus, dass diese wunderschönen Musikvideos im Sonnenuntergang auf dem Feld nicht lächerlich, sondern einfach nur schön und aufrichtig wirkt. Dazu eine solch experimentelle und doch schüchterne Stilsynthese verspricht das Potenzial, mit dem nächsten Projekt durch eine Handvoll neuen Mut eine lang leer geglaubte Nische in einer leichtfüßigen Musiklandschaft zu füllen.

VÖ: 22. Juli 2022 via Seasoning