Text: Tim Brügmann, 15. Januar 2021

In my room, in my womb
Is the only place I find peace
All alone, in my home
Yeah, I still can’t get to sleep

Schlaflos, rastlos und ungestüm. So lässt sich „Drunk Pink Tank“, das heißersehnte zweite Album der Sensationsband Shame, am besten beschreiben. Dabei haben die fünf Jungspunde aus dem Süden Londons dem geradlinigen Post-Punk ihres Ausnahmealbums „Songs of Praise“ den Rücken gekehrt und sich im Indie Rock und Art Punk von Bands wie den Talking Heads verloren. Verloren? Nicht ganz, denn Shame sind erwachsen geworden und der Freischwimmer steht ihnen erstaunlich gut.

Wie jede andere Band, sahen sich auch die Briten von Shame der erbarmungslosen Härte der anhaltenden Pandemie ausgesetzt. Seit ihrem kometenhaften Einschlag im Jahr 2018 kam die Band um den T-Shirt-losen Sänger Charlie Stehen so gut wie nicht zum Stehen. Umso schwieriger war es für die Band sich in der neuen Realität des Daheimseins zu Recht zu finden. Schnell wurde ihnen dabei klar, dass es auch dem Pub-Besitzer um die Ecke nicht viel besser geht und wir alle im selben Schlamassel stecken, nicht wissend, was da draußen eigentlich vorsichtgeht. Davon handelt auch „Drunk Pink Tank“, das nunmehr zweite Album von Shame.

Bereits die ersten Singleauskopplungen „Alphabet“ und „Water in the Well“ ließen vermuten, dass sich Shame auf ihrem zweiten Werk freigeschwommen haben. Verrieten sie einem im Interview noch, dass sie selbst nicht wüssten, wo die Reise musikalisch hingehen soll, machen sie aus dieser Ahnungslosigkeit eine Prophezeiung und zeigen sich äußerst experimentell. So experimentell, dass man meint zu glauben, es handle sich hierbei um eine völlig neue Band. Und nicht die, die mit tiefschürfendem Arbeiter-Punk und jugendlicher Rotzigkeit unsere Herzen im Sturm erobert haben.
Verrückt und durchgeknallt rotieren die Engländer in ihrem „Drunk Pink Tank“, in dem sie alles andere als eingeschlossen sind. Tempi-Wechsel, Gang-Shoutings und ein völlig neuer Gesangstil Sheens halten das Album interessanter, als es ein direkter Nachfolger vermuten ließe.

Das Experiment gelingt und auch wenn Fans der ersten Stunde sicherlich die Härte von Songs wie „Gold Hole“ oder „Tasteless“ vermissen werden, darf man sich über eine gelungene Weiterentwicklung Shames freuen. Kristallklare Gitarren, alles eine Note heller und schneller. Manisch und stinksauer sind Shame auch weiterhin und Sänget Sheen glänzt erneut mit ab- und tiefgründiger Bewusstseinsstroms-Poesie, Wut und Gossenromantik. Auf „Drunk Pink Tank“ mischt er ihr jedoch auch eine Menge Verwirrung und Selbstreflexion bei. So klingt Evolution in Zeiten der Schlaflosigkeit. Möge eine Tour zu diesem Album doch bitte bald möglich sein!

VÖ: 15. Januar 2021 via Dead Oceans