Text: Michael Smosarski, 06. August 2020

Shirley Collins ist jene Art Musikerin, die man sich auf der Veranda eines alten Hauses vorstellt, einsam gelegen irgendwo in den „Rolling Hills“ von England. Ein romantisches, klischeehaftes Bild, sicher – aber eines, das Shirley Collins selbst bestärkt mit ihren spärlich instrumentierten, brüchig gesungenen Traditionals.

Erst 2016 hat die 85-Jährige Folk-Legende mit „Lodestar“ einen neuen Songzyklus vorgelegt, sage und schreibe 38 Jahre nach ihrem letzten Album. Gemessen daran kam der Nachfolger „Heart’s Ease“ nun also in Blitzgeschwindigkeit. Collins Erklärung: „Ich habe all diese Jahre ohne Singen verschwendet. Ich habe also ein bisschen nachzuholen.“

„Heart’s Ease“ lässt dabei manchmal an Schlaflieder denken, vorgetragen von einer Stimme, die selbst dann melodisch ist, wenn sie die Töne nicht trifft oder nur streift. Manchmal drängen sich aber auch ganz aktuelle Referenzen auf – und plötzlich begreift man, woher Bands wie Big Thief Fingerpickings und Attitüde haben.

Zeitgeist ist nun mal immer auch durchwirkt von Geschichte – und eben jene repräsentiert Shirley Collins auf beeindruckende Weise.

VÖ: 24. Juli 2020 via Domino Records