In einem seiner lyrisch ungewohnt konkreten Momente singt der verstorbene Silver Jews Frontmann David Berman die Zeile: „All my favourite singers couldn’t sing“. Es ist ein Statement, das auch ich sofort unterschreiben würde, zählt doch auch der von mir verehrte Berman selbst zu dieser Kaste grandioser Nicht-Sänger. Dagegen, dass er, als er diese Zeilen Ende der 90er schrieb, auch an den Songwriter Simon Joyner dachte, spricht zwar das Präteritum; da Joyner zu dem Zeitpunkt aber bereits fünf Alben veröffentlicht hatte und – zumindest innerhalb der US-Outsider-Folk-Szene – den Status einer geheimen Legende innehatte, ist es letztlich auch nicht komplett auszuschließen.
Denn Simon Joyner ist das, was man gemeinhin wohl einen „Musiker-Musiker“ nennt: Trotz der Fülle an Material und der Huldigung durch jüngere Kollegen wie Conor Oberst oder Kevin Morby, die ihn als einen ihrer Haupteinflüsse bezeichnen, tourt Joyner nach wie vor durch Kleinstclubs oder findet sich – noch tragischer – im Vorprogramm seiner Verehrer wieder: Im Mai eröffnet er etwa die Konzerte des Pothead-Folkers Ryley Walker auf dessen Europa-Tour. Mit dabei wird er dann sein neues, gefühlt fünfundzwanzigstes Album haben: „Songs from a Stolen Guitar“. Darauf klingt sein Songwriting mindestens genau so karg und zeitlos wie auf „Out Into the Snow“ (2009) oder „Ghosts“ (2012) – zwei Highlights (und Take-Off-Tipps) aus seinem ausufernden Backkatalog.
Auch die Musik auf „Songs from a Stolen Guitar“ ist in diesem Sinne eine zutiefst amerikanische, der es gelingt, oft mit nur zwei Akkorden ganze Landschaften samt ihrer vom Schicksal geplagten loser und loner heraufzubeschwören. Man muss schon großzügig ausholen, um Referenzen für dieses urwüchsige Songwriting zu finden und landet am Ende unweigerlich bei den ganz Großen des Genres wie Neil Young oder Bob Dylan. Warum letztere in ihrer Spätphase sich nur noch für gut bezahlte Altherren-Festivals aus ihren Villen herauswagten, während Simon Joyner im Alter vermutlich auf die Unterstützung durch Sozialsysteme (wobei: USA) oder kennerische Mäzen*innen angewiesen sein wird, bleibt eines dieser gleichermaßen ungerechten wie schwer zu verstehenden Geheimnisse der jüngeren Musikgeschichte.