Text: Matthias Eichler, 27. Mai 2022

Was die Supergroup Traveling Wilburys Ende der 80er für den Folk-Rock waren, könnte für die heutige Indie-Rockszene die aus Portland stammende Band Slang darstellen. Mit ihrem Debütalbum „Cockroach In A Ghost Town“ erscheint am heutigen Freitag, scheinbar aus dem Nichts, eine Naturgewalt aus dem Herzen einer nahezu kosmischen Zusammenkunft.

Slang, deren Mitglieder unter anderem in namenhaften Bands wie in Wild Fang, Sleater-Kinney und The Thermals gespielt haben — mit Plattenauftritten von Sam Coomes (Quasi), Stephen Malkmus (Pavement), Mary Timony (Helium, Ex Hex, Wild Flag) und anderen Musikerinnen zusammen — wurde vor über einem Jahrzehnt von Texter/Sänger/Gitarrist Drew Grow und Schlagzeugerin/Sängerin Janet Weiss gegründet. Anfänglich noch Coversongs spielend, um die musikalische Interaktion zu beleuchten und um sich mit den Stilen des anderen vertraut zu machen, wurde schnell klar, dass es nicht darum ging, Gemeinsamkeiten zu finden, sondern Gemeinsamkeiten zu schaffen. Die Band wuchs um Kathy Foster (Roseblood, The Thermals) am Bass und Anita Lee Elliot (Viva Voce) an Gitarre/Gesang.

Aus Provokationen der Zeit entwickelten sie intensive Momente und woben aus Gegensätzen und Widersprüchen eine kartografische Darstellung einer Innenwelt. Rau und üppig. Gesangsmelodien, die in lyrischen Offenbarungen gipfeln, treffen Härte und Zärtlichkeit, Zufälligkeit und Ordnung, Intensität und Ruhe — all die Zustände und Gefühle, die mit dem Leben in dieser Zeit einhergehen. Mit der musikalischen Sensibilität von Elliot an der Leadgitarre und Foster am Bass und inmitten des heroischen Rumpelns von Weiss‘ Schlagzeug werden Grows Ecken und Kanten nicht geglättet, sondern ergänzt. Glamouröse Töne und von der Gesangsmelodie abweichende Akkordmuster, die den Weg ins Unerforschte freigeben, wirken belebend-warm und strahlen eine klangliche Neugier und faszinierende Unmittelbarkeit aus, umgeben von einer Kuppel theatralischem Flairs. Und stets schwebt da dieser unruhige Geisteszustand über all dem, alles scheint fremd und nichts fühlt sich richtig an, eine vertraute Art innerer Zwietracht. Dass die Begegnung zwischen Grow und Weiss Kismet war, ist unmöglich zu leugnen und wenn es eine Gottheit tut, töte sie.

VÖ: 27. Mai 2022 via Kill Rock Stars