Text: Christian Selzer, 19. Januar 2021

Das Corona-Jahr ohne Abrechnung der Sleaford Mods? Undenkbar. In nur drei Wochen nahmen die Dauergrantler im Lockdown ihr sechstes Album auf und spucken es jetzt dem Seuchenjahr hinterher. Die Krisenpolitik der Tories, der Brexit, wachsender Nationalismus, Plattenbau-Tristesse und Hipsterbands, die sich als Working-Class-Heroes aufspielen – das sind nur einige der Themen, über die sich Jason Williamson auf „Spare Ribs” auskotzt. Dazu stochert er wie gewohnt nicht mit der feinen Klinge in der Wunde herum, sondern mit dem rostigen Küchenmesser: Williamsons wütende Schimpfwortkaskaden im schnodderigen Midlands-Akzent schrauben sich untermalt von den Rumpel-Beats seines Bandkollegen Andrew Fearns zu einer Dringlichkeit, als ob die Welt morgen wirklich untergehen würde.

Auch wenn die Wut auf Eliten zum Wesen der Band gehört wie die Intrige zum britischen Unterhaus, klingen Sleaford Mods auf „Spare Ribs” so düster und desillusioniert wie nie zuvor. Das liegt einerseits an den Beats, die nicht mehr nur Vollgas kennen, sondern schleppender, dichter und gerade so detailverliebt sind, dass sie immer noch scheiße klingen. Vor allem aber hört man der Stimme Williamsons den jahrelangen Kampf gegen die Missstände in der Arbeiterklasse an und die Ahnung, dass alles vielleicht umsonst war. Denn „the system won’t go“, wie es in „Mork n Mindy” heißt, dem stärksten Song des Albums, der mit dem galligen Auftritt der Sängerin Billy Nomates auch die erste Kollaboration überhaupt auf einem Sleaford-Mods-Album markiert.

„Spare Ribs” ist der verbeulte Soundtrack zur gegenwärtigen Misere. Das Duo aus Nottingham steckt immer noch voller Zorn, erweitert aber behutsam sein Klang- und Themenspektrum. Zwischen Lockdown-Monotonie und Kindheitserinnerungen sind die Texte so persönlich wie nie, die Sounds dystopisch wie Postpunk der frühen 80er. Ein Album wie Sprengstoff, das aufrüttelt und gleichzeitig in die Dunkelheit zieht.

24.03.2022 Hamburg – Gruenspan                         
01.04.2022 München – Neue Theaterfabrik       
02.04.2022 Köln – Live Music Hall                
03.04.2022 Berlin – Columbiahalle

VÖ: 15. Januar 2021 via Rough Trade Records