Text: Oliver Schröder, 10. Mai 2017

Vor diesem Album hatten viele Angst. Genauso viele sehnten es herbei. Die meisten empfanden wohl beides, schließlich wird mit „Slowdive“ ein heiliger Gral des Shoegaze angerührt, der über 20 Jahre im Shoegaze-Elfenbeinturm verbracht hat. Unterbrochen wurde seine würdevolle Ruhe durch regelmäßige Besuche von Anhängern, die sich vergewissern wollten, ob er auch noch genau da steht, wo er zuletzt abgestellt wurde. In den letzten zwei Dekaden wuchs der eher kleine Backkatalog der Briten zur etwas Legendärem an. Seitdem kann „Souvlaki“ nur noch durch ein Vergrößerungsglas wahrgenommen werden. Wie soll also man an den eigenen Mythos anknüpfen? Vor ein paar Jahren machten My Bloody Valentine bereits vor, wie so ein Comeback auszusehen hat: Kevin Shields lieferte ein würdiges Spätwerk ab und verzückte die alte und neue Hörerschaft, indem er genau da weitermachte, wo er damals aufgehört hatte.

Slowdive tun es ihm nicht nur gleich. Ihnen gelingt es auf seltsame Weise, den Blick nach vorne zu richten. Die erdrückende Schwere der Vergangenheit verflüchtigt sich nach einer anfänglichen Angespanntheit, die uns noch beim ersten Stück „Slomo“ begleitet. Vielschichtig, abwechslungsreich und erstaunlich aktuell führen uns Rachel Goswell und Neil Halstead durch ein glasklares Update ihres alten Sounds. Erstaunlich, wie selbstverständlich sie dabei den Fehler vermeiden, den die Vielzahl ihrer Genrekollegen immer und immer wieder machen. Sie stellen den Song auf „Slowdive“ stets an erste Stelle. Erst dann folgt die Ästhetik. Diese spielt im Meer der Dreampop-Nachahmer viel zu oft die erste Geige und endet noch öfter im verschwurbelten Effektgeräte-Nirwana. Songwriting sticht Atmosphäre. Stücke wie „No Longer Making Time“ und „Falling Ashes“ wären ohne den überhöhten Status der Band kein bisschen bewegender und eindrucksvoller. Insofern liefern Slowdive genau das ab, was man sich erhoffte, aber nicht auszusprechen wagte: ein Meisterwerk

26/02/2018 Köln – Gloria Theater
27/02/2018 München – Technikum

VÖ: 05. Mai 2017 via Dead Oceans