Text: Lennard Göttner, 08. Juli 2020

Die BBC frohlockt: „The next international popstar“ ist auf dem Weg in die Musikhallen Europas, musiziert sich auf die Cover der Streaming-Dienste und lässt die Ohren aller europäischen Pop-Fans höher schlagen. Und genau dieser zukünftige Popstar soll aus Deutschland kommen? Tatsächlich überschlugen sich bereits im Voraus des Erscheinens von Sofia Portanets Debüt-Album „Freier Geist“ die Schlagzeilen und Ankündigungen bezüglich ihres Werks. Sie sieht aus wie die junge Jane Birkin und soll klingen wie eine Mischung aus Nina Hagen und Ideal. Neue Deutsche Welle und Krautrock mit einer kleinen aber feinen Note Alternative sollen es sein. Und tatsächlich treffen all diese Vergleiche zweifellos zu. Das wilde Allerlei aus 70er-und 80er-Jahre-Reminiszenzen stellen die eigentliche Virtuosität des Werks jedoch meist in den Schatten. Und auch wenn die BBC Portanet bereits als nächsten Popstar ankündigte: „Freier Geist“ macht sein eigenes Ding und alles darauf deutet darauf hin, dass ihr die große Masse, zum Opfer ihres Titels, ziemlich egal zu sein scheint.

Die 30-jährige Wahl-Berlinerin begann ihre musikalische Karriere im Kinderchor der Pariser Nationaloper. Dort bekam sie eine klassische Gesangsausbildung, ehe sie erkannte, dass das vermutlich nicht wirklich ihre Welt ist. „Freier Geist“ wird dann Zeuge dieser Ausbildung, wenn Portanets Stimme – wie beim Song „Ringe“ ins Operettenhafte übergeht. Mit 20 zog es Portanet dann nach Berlin, wo sie erstmals anfing, eigene Songs zu komponieren, in Bars und Restaurants aufzutreten und mit der Zeit und dem Einfluss der pulsierenden Metropole ihren eigenen Sound entwickelte.

Unter Kritikern zählt Portanet bereits seit einiger Zeit als Geheimtipp. Nun erschien ihr Debüt-Album, welches den hohen Erwartungen aber sowas von gerecht wird. „Freier Geist“ ist geprägt von treibenden Beats, melodischen Gitarrenriffs und einer breiten Auswahl von Synthesizern. Außerdem performt Portanet die Songs auf ihrem Album in Deutsch, Französisch und Englisch. Multilingualität zum Opfer der Homogenität. Neben dem bereits angesprochenen, operettenhaften „Ringe“ schafft es der Song „Waage“ wiederum mit Sicherheit auf so gut wie jede Disco-Tanzfläche der Republik. Die geballte Qualität Portanets und die Einzigartigkeit dieses Werks lassen sich jedoch am besten im Auftaktsong „Free Ghost“ wiederfinden. Der titelgebende Track besitzt schlichtweg alles, was Sofia Portanets Musik in ihrem Werk verteilt ausmacht. Ein dynamischer Beat gemischt mit einer einprägsamen Melodie und Portanets unverwechselbarer und faszinierender Stimme sind das Rezept für ein wahrhaftes Masterpiece.

„Freier Geist“ ist mehr als ein Album, das mit Retro-Charme lockt. Mehr als Musik, die Nostalgie und Reminiszenzen hervorruft. „Freier Geist“ ist charismatisch, einzigartig und absolut hörenswert.

VÖ: 03. Juli 2020 via Duchess Box Records