Text: David Maneke, 06. Dezember 2018

Am 30. November des Jahres ist die neue Platte der italienischen Psych-Band Sonic Jesus erschienen. „Memories“ heißt das gute Stück und es hält zumindest erstmal, was das selbst verliehene Label „Neo-Psychedelic“ verspricht. Denn das Album wirkt im Hörer, wobei die Aufgabe einen Erfahrungsbericht des geneigten Hörers abzulegen, heikel daherkommt. Denn sehr viele Durchläufe endeten damit, dass ich auf einmal wieder in der Realität aufgewacht bin. Man läuft Gefahr, sich in „Memories“ zu verlieren. Man vergisst dass man Musik hört und kann in Untiefen des Bewusstseins geführt werden, deren schiere Existenz den Menschen hinter den Ohren durchaus überraschen können. Im Grunde ist es das Gegenteil der klassischen Fahrstuhlmucke: Irgendwann vergisst man, dass man Musik hört. Aber anstatt auszusteigen, versinkt man eher drin. Diese Hörerfahrung alleine ist ein Erlebnis.

Das Dilemma liegt freilich auf der Hand: man setzt sich auch wissentlich der Gefahr aus, dass man nur die erste Hälfte des Albums in vollem Bewusstsein wahrnimmt, und dafür ist die Musik dann doch zu schade. Also sollte man sicherstellen, dass man das Album, wenigstens ein paarmal, ganz laut hört, vielleicht ganz allein, vielleicht mal ohne Ablenkung. Das tut ja ohnehin von Zeit zu Zeit mal gut und je nach empfundenen Weltschmerz ist „Memories“ da ein sehr passendes Album (Auf einer Skala von 1 [Leonidenartig gute Laune] bis 10 [Matt Berninger im schlimmstem Liebeskummer], deckt „Memories“ bestimmt 4-8 wunderbar ab!).

Die Band hat sich seit dem – grandiosen – 2017er Album „Grace“ künstlerisch nochmal radikalisiert. An manchen Tagen (zum Beispiel am 9. September, siehe Tracklist) hätte man meinen können, eine vergessene, frühe Interpol-Platte zu hören, so viel treibende, düstere Getragenheit entfaltet sich in den Songs des soeben abgelösten Albums. Für „Memories“ aber haben sich Sonic Jesus ein ganz anderes Muster zum Prinzip gemacht: es ist die Wiederholung, die zur treibenden musikalischen Kraft von „Memories“ wird. Das kommt zwar auch nicht aus dem Nichts, aber die Entschlossenheit, mit der diese Entscheidung durchgezogen wird, ist angesichts der kurzen Zeit zwischen beiden Alben beeindruckend.

Einerseits beschenkt uns die Band mit einem dichten, durchaus sperrigen aber sehr spannenden Album, an dem nicht alles komplett rund ist, aber doch so unendlich viel mehr, als es nur auf eine gute Idee zu reduzieren. Andererseits, aus einer ganz anderen Betrachtungsweise aber eine womöglich ebenso große künstlerische Leistung, umgehen Sonic Jesus mit „Memories“ die Gefahr, sich als Band abzunutzen – ohne sich gleichwohl komplett auf links zu drehen. Diese heikle Balance zwischen Weiterentwicklung und Entfremdung navigiert die Band grandios. So erweist sich „Memories“ als ein beeindruckendes Psych-Rock-Album, suhlt sich nicht im Schlamm der (Psych-)Vergangenheit, steht da ganz autonom in der musikalischen Landschaft herum und trägt seine Wurzeln aber doch angenehm zurückhaltend im Rucksack, ohne ständig nach ihnen zu sehen.

Und so soll diese Rezension mit einer doppelten Hörempfehlung schließen: Natürlich soll der geneigte Leser „Memories“ hören. Ganz anders, genauso reizend ist aber auch „Grace“. Beide Alben bezeugen die Stilsicherheit und Kreativität, die Sonic Jesus als Band ausmacht.

06.12.2018 Berlin – Toast Hawai
11.12.2018 Frankfurt – Cave
12.12.2018 München – Milla
13.12.2018 (AT) Wien – Viper Room
14.12.2018 Mannheim – Blau

Update: Die komplette Tour musste leider gecancelt werden.

VÖ: 30. November 2018 via Sonic Jesus Records