Text: Oliver Schröder, 03. September 2021

Wenn die Platten anderer Künstler mit dem Label in ihrer angenehmsten, offensten Form beworben werden, kann man sich auf entspannte Wohlfühlmusik einstellen. Bei Suuns bedeutet diese Aussage, dass sich der Knoten im Kopf wesentlich langsamer bildet. Aber ordentlich festgezogen wird er nach wie vor.

Vielleicht werden die letzten Monate irgendwann mal als minimalistische Zeit in die Musikgeschichtsbücher eingehen. Überall wird abgespeckt, reduziert und ausprobiert. Die monatelange Starre hat ihre Spuren hinterlassen. Ben Shemie lebt mittlerweile in Paris, man arbeitete oft über Distanzen hinweg. Neben Joe Yarmush und Liam O’Neill war zudem vor allem ein weiteres, neues Mitglied für den Sound von „The Witness“ verantwortlich: der Zufall. Dabei lässt sich kaum behaupten, dass die bisherigen Suuns-Alben berechenbar und gradlinig gewesen seien. Nur fügen sich die psychedelischen Sound-(Alb-)Träume nun gemächlicher zu einem Bild zusammen, oft tun sie das auch überhaupt nicht. „I love that we’ve been able to stick to the minimal side of things, and just let it breathe.”, sagt Shemie über das neue Material. Das erklärt den skizzenhaft flüchtigen Eindruck, der vielen Stücken anhaftet, obwohl zu keinem Punkt der Eindruck entsteht, hier sei etwas nicht fertig geworden.

Alle typischen Suuns-Merkmale sind schließlich da, nur ist dieses Mal viel mehr Luft dazwischen: „Third Stream“ setzt sich karawanenhaft in Bewegung, vernebelt mit angekitschten Synthies. Und dann ist da natürlich Ben Shemies unverkennbare Stimme, gewohnt verträumt und bedrohlich. Manchmal steht man mit den Vocals ganz alleine im leeren, abgedunkelten Raum und weiß nicht, ob man sich verkriechen oder ganz auf deren hypnotische Wirkung einlassen soll. Shemie ist dabei wohl die einzige Person in diesem Universum, bei der die Verwendung von Auto-Tune völlig plausibel erscheint. Ab und zu sind ein paar von diesen typisch-glasklaren Suuns-Gitarrenakkorden zu hören, die das Raumklima kurzzeitig um ein paar Grad erwärmen. Alles ganz langsam, alles ganz bedächtig. Was sonst im Fieberwahn vorbeirauschte, ist plötzlich deutlich erkennbar. Vermutlich gibt uns die Band hier das erste Mal die Chance zu begreifen, was alles in ihren Stücken passiert.

30.10.2021 Nürnberg – NUEJAZZ Festival
01.11.2021 Köln – Bumann & Sohn
02.11.2021 Berlin – Hole44
06.11.2021 Hamburg – Hafenklang
07.11.2021 Schorndorf – Manufaktur

VÖ: 03. September 2021 via Joyful Noise Recordings