Text: Oliver Schröder, 14. Februar 2020

Retromania! – Mit seiner Untersuchung unserer Besessenheit von der popkulturellen Vergangenheit enthüllte der englische Musikjournalist Simon Reynolds vor allem einen interessanten Aspekt, den wir selbstverständlich längst ahnten: Trotz aller technologischer Fortschritte bleibt der Blick stets nach hinten gerichtet. Für niemanden gilt das mehr als für Kevin Parker, dessen viertes Album auf Vinyl in vier unterschiedlichen Farben auf heavyweight Doppel-Disk-Format erscheint, das wunderbar neben die von Papa geerbten Supertramp-Platten einsortiert werden kann.

Die Angst davor, einfach in den Weiten des Universums verloren zu gehen, ohne eine bleibende Spur zu hinterlassen, ist die paranoide Klammer, die die Songs auf „The Slow Rush“ zusammenhält. Wie beruhigend es dann doch erscheint, wenn man sich an den Taten unserer künstlerischen Vorfahren orientieren kann. Von vielen ist ja schließlich etwas geblieben, und sei es nur in unseren Erinnerungen. Denen kann man allerdings alles andere als trauen. Seine letztjährige Hochzeitsfeier wird somit zum Stichwortgeber, um sich mit der nostalgischen Verklärung der Vergangenheit auseinanderzusetzen:

When we were livin‘ in squalor, wasn’t it heaven?
Back when we used to get on it four out of seven
Now even though that was a time I hated from day one
Eventually terrible memories turn into great ones

Im Video zu „Lost In Yesterday“ tritt Parker als Hochzeitssänger auf, verbindet in typischer Tame-Impala-Manier das kuschelige Popfeeling der 70er Jahre mit dem heißen Soundscheiß des Jahres 2020. Parker setzt dabei sich zum Teil beißend selbstkritisch mit diesen Themen auseinander, ohne bösartig zu werden. Eher scheint er festgestellt zu haben, wie wenig Zeit man als Mensch auf diesem Planeten eigentlich zur Verfügung gestellt bekommt – besonders wenn der Terminkalender zum Bersten gefüllt ist.

Tame Impalas Songtitel („Tomorrow’s Dust“, „One More Year“, „It Might Be Time“) lassen eine ausgeprägte Midlife-Crisis des 34-jährigen befürchten. Eine Sorge, die Parker durch den umso entspannter klingenden Popappeal gleich wieder auflöst. An einigen Stellen klingt „The Slow Rush“ vielleicht ein bisschen zu entspannt nach elektronischer Gebrauchsmusik, aber hält gleichzeitig genug Flächen und Grooves bereit, die die Songs von der Peripherie wieder in den Mittelpunkt rücken.

Am Ende seines Buches fragt Simon Reynolds, was eigentlich kommen soll, wenn der ständige Blick in den popkulturellen Rückspiegel überwunden ist. Eine Frage, mit der sich auch Kevin Parker vor seinem nächsten Album auseinandersetzen sollte.

VÖ: 14. Februar 2020 via Caroline International