Text: Bernd Skischally, 14. Februar 2019

Ein Mensch mit Krähenkopf steht, die Arme im Wind, an irgendeiner Felsküste in Irland. Die gleiche Figur begutachtet wenig später Fertigprodukte im Supermarkt, kippt ein Bier im Pub, steht rauchend in den Straßen von Dublin. Immer etwas verloren, entrückt sowieso. Ohne Maske erkennt man den Krähenmensch als Shaun Mulrooney, den nach Berlin ausgewanderten, irischen Gründer des Bandkollektivs TAU.

Ihn sieht man im selben Video im Wald umherwandern, vor allem sieht man aber, wie er, der langhaarige Künstler, der optische Fremdkörper, einfühlsam zwei alte Menschen betreut. Mal gibt er eine Massage, mal wäscht er ab, mal zieht er einen Strumpf über den nackten Fuß des alten Mannes. Es sind echte Szenen mit Mulrooneys Eltern, die der südafrikanische Filmemacher Kyle Ferguson mit viel Gespür eingefangen und zu einem kunstvollen Kurzfilm verarbeitet hat. Und sie passen perfekt zum sich langsam – mit Streichern und Akustikgitarre – entwickelnden Song „Craw“, dem intensivsten und wohl persönlichsten Stück des in Eigenregie veröffentlichten zweiten Albums von TAU.

„It’s stuck in your Craw“, sagen die Iren, wenn sich etwas schwer mit Worten fassen lässt. „Something that you want to get out, but you can’t“, erklärt Mulrooneys Mutter mit brüchiger Stimme ganz am Ende des Videos. Gut möglich, dass es Mulrooney beim Schreiben der Songs ähnlich erging, atmen einige Stücke doch eine durchdringende, teils recht nachdenkliche Folk-Note, wie man sie vom von Psychrock geprägten TAU-Erstling noch nicht kannte. Noch immer musikalisch wie textlich hörbar, vor allem bei Stücken wie „Erasitexnis“, „The Sturgeon“ und dem vorab als Single veröffentlichten „It’s Already Written“, ist TAUs Verwurzelung in Mantra-und Tribal-Klängen sowie schamanischen Ritualen. Das britische „Prog“-Magazin stellt die Band sogar in eine direkte Verwandtschaftslinie mit den schwedischen World-Fusion-Superheros Goat und der Heavy-Afro-Combo Vodun.

Die reichhaltige Instrumentierung von „TAU & The Drones of Praise“ erklärt sich bei einem Blick auf die Plattenrückseite, denn, wie schon beim Debüt, konnte Mulrooney mit Hilfe von Co-Produzent Robbie Moore eine Schar an Mitmusikern für die zehntägigen Aufnahmen gewinnen. Darunter viele befreundete Künstler aus Berlin wie Earl Harvin von den Tindersticks und Katrin Hahner alias Miss Kenichi, aber auch internationale Kollaborateure wie den legendären The-Pyramids-Saxophonisten Idris Ackamoor und das indische Violinen-Duo LN Sisters. Dass der wilde Ritt durch musikalische Stile und mystische Welten nicht beliebig auseinander driftet, sondern auf Albumlänge ausgezeichnet funktioniert, ist am Ende ein faszinierenden Kunststück. Oder wie die „Prog“-Kollegen schreiben: „Berber grooves (…), North African sytles (…), Mexicana (…). Sure, there’s so much going on, but Mulrooney avoids overload with some diligent arrangements.“

04.04.2019 Berlin – Arkaoda
06.04.2019 München – Import/Export

VÖ: 08. Februar 2019 via Drones of Praise Records