Text: Tim Brügmann, 18. Februar 2022

Im Weltraum hört dich niemand Jazzen: Bleigewichtig wie ein meterhoher Riese aus alter Zeit, der sein von den Elementen geschmiedetes Sch​​wert über Mondgestein hinter sich herschleppt — so ungefähr klingt es, wenn Taumel auf ihrem neuen Album „Now We Stay Forever Lost In Space Together“ ein kleines Inferno im Weltraum entfachen. Erst vor knapp zwei Jahren haben Jakob Diehl und Sven Pollkötter mit „There Is No Time To Run Away From Here“ nach langer Phase des Skizzierens auf sich Aufmerksam gemacht und einen neuen Namen auf der Karte des Dark-Jazz-Genres etabliert: Taumel.

Dark, das ist sogleich das erste Stichwort, das mit Jakob Diehl in Verbindung gebracht wird. Denn als Schauspieler schob er sich in der Rolle des Unbekannten in der Erfolgsserie Dark bedrohlich über Raum und Zeit. Zusammen mit Sven Pollkötter hob er auf musikalischer Ebene jedoch unlängst sein Projekt Taumel aus der Taufe und brilliert, im Gegensatz zu manch anderem Schauspieler, der die Musik zu einem neuen Fokus macht, mit fein durchdachten Klanglandschaften zwischen Krautrock, Jazz und Surrealismus. Angelegt als mehrteiliges Werk mit der Überschrift „TRAUM“ öffnet das Duo nun das zweite Kapitel des Zyklus und überrascht mit progressiven Mutationen und einem erweiterten Arsenal an Klangkunst. Denn während Diehl und Pollkötter auf ihrem Erstling noch relativ minimalistisch unterwegs waren, haben auf „Now We Stay Forever Lost In Space Together“ vor allem Boris Nicolai an der Gitarre und Manuel Viehmann an der Trompete einen Gang höher geschalten und erweitern den Soundkosmos um eine Schaufel voll Dystopie und Weltuntergang.

Braute sich auf „There Is No Time To Run Away From Here“ in bester Bohren & der Club of Gore Manier noch ein Sturm im Whiskeyglas einer in Rauchernebel gehauchten Bar zusammen, geht es auf „Now We Stay Forever Lost In Space Together“ tiefer und weiter ins schwarze Loch. Auf fünf Tracks mit knapp 40 Minuten Spielzeit bahnt sich ein glühender Feuerball seinen Weg durch das All, ehe er allmählich versteinert und auskühlt. Taumel spielen den Schwanensang eines Astronauten, der im fieberträumend um Halt und Luft ringt und den das Gewicht des Universums in massiver Zeitlupe zu Sternenstaub verwandelt. Diehl und Pollkötter spielen massiv und doch filigran, es knarzt im Gebälk, zischt unheilvoll und brummt bedrohlich.

Zugegeben, Taumel mag auf den ersten Blick konstruiert wirken, zu durchdacht und sperrig. Doch was das mittlerweile zum Quartett angewachsene Monstrum heraufbeschwört ist mehr als nur ein Experiment. Nach einem fulminanten Erstlingswerk, schreit auch das zweite Album nach einer Fortsetzung der düsterschwarzen Reise ins Nichts. „Now We Stay Forever Lost In Space Together“ klingt wie eine Drohung, doch nach diesem außergewöhnlichen Trip bleibt man gerne noch ein wenig verloren zurück.

VÖ: 18. Februar 2022 via Tonzonen Records