Text: Julian Tröndle, 26. März 2021

Wenn eine Band wie The Antlers, deren kurzzeitiger Pitchfork-Hype maßgeblich auf einem Konzeptalbum basiert, welches im Kern das Schicksal einer an unheilbarem Knochenkrebs erkrankten jungen Frau reflektiert, nun eine Sammlung voller Sunday Morning Music ankündigt (O-Ton des Sängers Peter Silberman), vermutet man instinktiv eine Finte. Misstrauisch lausche ich also den ersten Takten von „Green To Gold“ und tatsächlich: Der anxious shoegaze hat sich hier mitsamt seiner existenziellen Abgründigkeit in folkig benebelten Slowcore-Soul verwandelt, der ältere Hörer*innen möglicherweise an das Lambchop-Album „Nixon“, und meine Freundin beim Abendessen spontan an James Blunt erinnert. Etwas muss also passiert sein in den sieben Jahren seit dem letzten Lebenszeichen der New Yorker. Und dieses Etwas wird im Rahmen der Albumankündigung bereitwillig ausgeführt.

Denn während sich Silberman bezüglich der biographischen Involviertheit in die Geschichte auf „Hospice“, dem erwähnten Beklemmungs-Epos, weiterhin ausschweigt, erzählt er nun umso ausgiebiger von der Entstehung um das Comeback sowie der vorangegangenen, länglichen Bandpause: In dieser steht nun nämlich er selbst im Zentrum einer klinischen Leidensgeschichte. Einem temporären Hörverlust nach dem Release des letzten Antlers-Album „Familiars“ (2014) folgte zwei Jahre später die Diagnose von Läsionen auf seinen Stimmbändern, die einen chirurgischen Eingriff und Stimmrückbildungsmaßnahmen erforderten:

Die Ärzte verschrieben eine Auszeit für meine Stimme. Ich sollte jeden Tag für lange Phasen gar nicht sprechen. Ich erkannte diese gesundheitlichen Schwierigkeiten als ein Zeichen: Ich musste mein Leben kurzfristig neu justieren.

Silberman reagierte auf diese verordnete Zwangspause interessanterweise auf ähnliche Weise wie arbeitssuchende Masterabsolventen auf die Zumutungen der Pandemie: Er verließ das lärmende Brooklyn und zog nach Upstate New York, den Ort seiner Kindheit. Er unternahm lange Wanderungen im Wald und begann zu gärtnern. Kurzum: Er versuchte, nachdem ihm Sinne und Stimme versagten, wieder eine resonante Beziehung zur Welt herzustellen.

Zum Erfolg dieses Unternehmens muss man Silberman natürlich unbedingt beglückwünschen. Und auch sein charakteristisches Falsett scheint durch therapeutische Maßnahmen umfänglich zurückgebildet. Auf die Musik wirkt sich seine Gesundung jedoch unglücklich sedierend aus. Freunde der Beschleunigung waren die Antlers zwar noch nie (der Mandolinen-Hit „Two“ (2009) bestätigt als Ausnahme die Regel); die Ablösung abgründiger Feedback- und Hallräume durch ostentative Dur-Romantik leitet ihr Songwriting auf „Green To Gold“ nun aber endgültig in ein Fahrwasser, in dem die Grenzen zwischen wärmender Melancholie und Kitsch unheilvoll verschwimmen.

Gerahmt von zwei Instrumentals, die die gedämpfte Grundstimmung der Platte fundieren, entfaltet sich hier – unterstützt durch den Langzeitdrummer Michael Lerner – eine quälend lethargische und redundante Musik, die trotz gewohnter Pathos-Offensive leider zu Tode langweilt. Die Songs des Albums seien, so Silberman, ausschließlich in den frühen Morgenstunden entstanden. Aus ästhetischen-, nicht aus medizinischen Gründen empfehle ich daher unbedingt: Auf zurück in die Stadt und schlafen Sie dort ruhig wieder aus.

VÖ: 26. März 2021 via Transgressive Records