Shabaka Hutchings ist unbestritten gerade die zentrale Figur der britischen Jazzszene. Sein Sons of Kemet Album „Your Queen Is A Reptile“ wurde auch von eher jazzfremden Musikhörern und Kritikern als eines der Alben des Jahres angesehen. The Comet is Coming ist sein Projekt, bei dem er sich mit Keyboarder Dan Leavers und Maxwell Hallett in Richtung elektronischer Musik austobt.
Das kann dann live auch mal zu Situationen führen, wie man sie von guten Raves kennt. Nicht ohne Grund hat sich unter Freunden von mir der Begriff ‚Jazzrave‘ dafür etabliert. Jedenfalls kann man sich bei The Comet is Coming live die Seele aus dem Leib tanzen, wenn man möchte, inklusive „Hände in die Luft“ und allem Programm. Das ist natürlich nichts für die konservativen Jazzpuristen im Land, aber wen kümmert es? Mich persönlich haben Musikpuristen schon immer gelangweilt, mitunter auch geärgert.
Aber zurück zum aktuellen Album: es ist ziemlich psychedelisch ausgefallen, verliert sich aber nicht in Daddelei, sondern kommt immer wieder gut auf den Punkt. Shabakas Saxophonspiel changiert von sanft bis ekstatisch, auf der Studioproduktion nimmt er sich etwas mehr zurück als live. Die Band kann als Gast am Mikro eine bekannte Britin begrüßen, niemand geringeres als Kate Tempest gibt sich die Ehre. Bei „Blood of the Past“ steuert sie Lyrics bei. Das passt alles gut zusammen, obwohl es zwischen den beteiligten Musikern so gut wie keine vorherigen Absprachen gibt. Dieser anarchisch anmutende Ansatz führt allerdings zu einer ungeheuer spannenden Dynamik, in der den einzelnen Musikern eine Menge Raum gewährt wird.
Shabaka Hutchings zeigt mal wieder, dass er in punkto Innovation gerade gegenüber vielen anderen die Nase vorn hat. Sein Weg ist noch lange nicht zu Ende, wenn er so weiter agiert, wird er uns noch als einer der zentralen Künstler des Jahrzehnts für lange im Gedächtnis bleiben. Er bringt Jazz zurück zu seinen politischen Wurzeln und entkoppelt ihn vom Habitus des gehobenen Mittelstands, in dem dieses Genre lange als Abgrenzungsmerkmal gegenüber dem ungebildeten Pöbel verstanden wurde. Man könnte jetzt noch eine Menge über den Afrofuturistischen Background los werden, aber vielleicht sollten wir einfach die Musik auf uns wirken lassen und uns freuen, dass da einer konsequent sein Ding durch zieht ohne Wenn und Aber, und vor allem nicht allein, sondern immer im Kollektiv mit anderen Freigeistern.
08.04.2019 Berlin – Bi Nuu
09.04.2019 Frankfurt – Zoom
10.04.2019 Köln – Stadtgarten
12.04.2019 München – Strom
13.04.2019 (AT) Wien – Grelle Forelle