Text: Lennard Göttner, 02. Juli 2021

Wer schon einmal „Tomorrow Never Knows“ der Beatles gehört hat, der wird diesen wundervoll-abstrus-verrückt-psychedelischen Song in der Regel nicht so schnell wieder vergessen. Kühl gab John Lennon einige Jahre später nach Veröffentlichung an, dass er zur Zeit von Revolver selbst nicht gerade selten LSD konsumiert habe. George Martin zufolge äußerte sich Lennon während der Aufnahmen im Tonstudio wie folgt: „Ich möchte so klingen, als wäre ich der Dalai Lama, der vom höchsten Berggipfel aus singt und trotzdem die Wörter hören, die ich singe.“.

Nüchtern übersetzt, beziehungsweise für das tontechnische Realisieren Lennons Wunsches hieß das für die Beatles, sämtliche Tonbandschleifen rückwärts laufen zu lassen, einen Flanging- und Leslie-Effekt über die Spuren zu legen und abschließend das Tibetische Totenbuch als Vorlage für die Lyrics im Stück zu verwenden. Quasi das DIY für einen legendären Psych-Hit -oder sowas in der Art. Um den Bogen nicht zu weit zu spannen: The Holy Family lösen in mir mit ihrem gleichnamigen Debütalbum vor allem eins aus, eine romantische Erinnerung an den vielleicht seltsamsten und zugleich faszinierendsten Song, den ich in meinem bisherigen Leben gehört habe.

Doch gehen wir doch zuvor noch ein paar Schritte zurück. The Holy Family ist eine fünfköpfige Gruppierung aus Großbritannien, die vor Release ihres Debütalbums noch nicht wirklich auf sich aufmerksam gemacht hat. Damit nun umso außergewöhnlicher! Das Debütalbum bringt dreizehn Songs mit sich und lässt sich grob in den Bereichen des Psychedelic-Rock und -Folk einordnen. An der Stelle schlagen wir erneut die Brücke zum etwas ausufernden Prolog zu Beginn dieses Artikels. Das Album ist ausgefallen. Und an manchen Stellen fühlt es sich sogar fast wie ein düsterer Fieber-Traum an.

Wer auf derartige Musik steht, dem oder der sei The Holy Family wärmstens ans Herz gelegt. Nichtsdestotrotz bieten einzelne Songs der Platte auch für Fans von normaleren oder in diesem Falle zumindest ansatzweise geläufigeren Klanggefügen spannende Passagen. Besonders „Inward Turning Suns“ bleibt hier auch noch im Nachhinein in Erinnerung, das bereits zuvor als Single-Auskopplung released wurde. David J. Smith, Frontmann der Band und Architekt dieses Psych-Gerüsts, über das Werk:

I guess if I had to try to put it into words it’s my attempt at a musical interpretation of a very trippy and psychedelic murder mystery tale, or otherworldly dream / hallucination

Ja. The Holy Family ist definitiv nicht für jeden was und das Album ist mit seinen dreizehn Songs zwischenzeitlich auch wirklich langatmig. Der Longplayer lässt trotzdem an wirklich zahlreichen Stellen durchleuchten, was die Band draufhat und noch haben kann. Und wer sich nur halbwegs so sehr wie ich mit „Tomorrow Never Knows“ identifizieren kann, der wird innerhalb dieses verwirrenden Labyrinths von Album an der ein und anderen Stelle ein helles Licht erkennen.

VÖ: 02. Juli 2021 via Rocket Recordings