Text: Säm Wagner, 11. Oktober 2016

Endlich. Das hat es gebraucht. The Notwist haben eine Liveplatte (eigentlich: das zweite Livealbum, nach der semioffiziellen „Your Choice Live Series“-CD von 1994). Man kann zu Livealben stehen, wie man will. Als „Superheroes, Ghostvillains + Stuff“ angekündigt wurde, stand in einem Kommentar, dass Konzertmitschnitte für zuhause absolut überflüssig seien. Die Songs kennt man schon, die Originale sind besser aufgenommen. Ein Krampf! Gerade bei The Notwist war es überfällig, die Livequalitäten endlich auch für den Hausgebrauch zu konservieren. Die Band hat sich von Album zu Album und von Jahr zu Jahr auf der Bühne gesteigert, immer wieder sich selbst überflügelt. Nach „Neon Golden“ fing die längst schon überragende Liveband an, Songs ineinander übergehen und sie auf der Bühne weiter wachsen zu lassen. The Notwist verfremdeten ihre Stücke, dehnten sie aus und hatten ihre Freude an Gimmicks – zum Beispiel mit eingespielten Samples von Platte (bei „Pilot“). Die Band um Markus und Micha Acher fand gleichzeitig aber auch wieder ihre Freude an frühen Songs, wie „One Dark Love Poem“. Noch heute klingeln die Ohren der nur 200 Fans, die 2012 den fast dreistündigen (!!) Auftritt im Münchner Kafe Kult erlebten, bei dem The Notwist gefühlt ihr komplettes Œuvre darboten.

Nach dem Ausstieg von Martin „Console“ Gretschmann im Jahr 2014 und dem Einstieg von Cico Beck (u.a. bei Joasihno, Aloa Input, Ex-Missent to Denmark) wurde die Band auf der Bühne freier und noch improvisationsfreudiger. Das Instrumente-Portfolio wurde noch einmal erweitert. Und: Erst heute, zur Veröffentlichung der Liveplatte, scheint aus der Band, die für viele Fans und auch auf Pressebildern immer nur aus Markus und Micha Acher (plus zeitweise Michael Gretschmann) bestand, nun offiziell auch eine sechsköpfige Band geworden zu sein. Zumindest auf den neuen Bandfotos tauchen Cico Beck, Andi Haberl, Max Punktezahl und Karl Ivar Refseth, die allesamt natürlich auch in etlichen weiteren Bands (und Orchestern) zugange sind, ganz offiziell neben den beiden Acher-Brüdern aus Weilheim auf.

Das Livealbum? Das Beste aus den letzten drei Alben plus eben „One Dark Love Poem“. Natürlich in Perfektion (Olaf Opal mischte „Superheroes, Ghostvillains + Stuff“ ab, die Aufnahmen stammen vom Konzert am 16. Dezember 2015 im UT Connewitz in Leipzig). Die Highlights des auf Platte konservierten Abends: Der Indiedisco-Floorfiller „Kong“, die „Neon Golden“-Hits „Pick up the Phone“ und „One with the Freak“ direkt hintereinander. Apropos hintereinander: Beim Übergang von „This Room“, samt zweiminütiger Jazz-Noise-Improvisation am Ende, zum Post-Hardcore-Kracher „One Dark Love Poem“ kann man jetzt endlich auch zuhause die Hände in die Luft reißen und die Schrankwand umpogen. Absolutes Highlight aber: Die fließend ineinander übergehenden „Neon Golden“ und „Pilot“, die zusammen 20 Minuten der 99-minütigen Spielzeit einnehmen und vom Folksong in eine Dub-Phase übergehen, um schließlich zum clubtauglichen Electro-Brett zu werden, um am Ende doch zum Original des Songs zurückzukehren. Danach, im Applaus, bringt eine dazwischenrufende Zuschauerin alles auf den Punkt: „Unfassbar schön.“ No more words needed.

05/11/2016 Weissenhaeuser Strand – Rolling Stone Weekender
06/11/2016 Berlin – Lido
12/12/2016 Düsseldorf – Zakk
13/12/2016 (LU) Luxembourg – Atelier
02/02/2017 (CH) Zürich – Rote Fabrik
12/02/2017 Berlin – Astra Kulturhaus (Zusatzshow)
13/02/2017 Leipzig – Conne Island
14/02/2017 Hamburg – Grosse Freiheit 36
15/02/2017 (NL) Amsterdam – Paradiso
16/02/2017 (BE) Gent – Kunstencentrum Vooruit
18/02/2017 Reutlingen – Franz K
19/02/2017 Frankfurt/Main – Batschkapp

Das Album "Superheroes, Ghostvillains + Stuff" erscheint am 14. Oktober auf dem bandeigenen Label Alien Transistor.