Text: Oliver Schröder, 29. Oktober 2021

Rock is dead, long live rock: Wenn dieser Tage ein neues Album von The War On Drugs erscheint, ist es immer ein bisschen so, als besuche uns sein alter Schulfreund. Nicht unbedingt totgeglaubt, aber zumindest seit einer gefühlten Ewigkeit nicht mehr gesehen. Kurz drauf sitzt man wieder gemeinsam im Keller, durchwühlt die alten Plattenkisten und redet bis tief in Nacht über die erste große Liebe.

Alte Geschichten werden rausgekramt, dazu laufen Dire Straits, Tom Petty und natürlich Bruce Springsteen. Nach ein paar Flaschen Bier wagt man sich an das experimentellere Zeug. Ein bisschen Kraut, ein bisschen Prog. Aktuelle Themen werden kurz angesprochen, aber spielen keine große Rolle, meistens in Bezugnahme auf das, was mal war. So in etwa lässt sich auch das Gefühl zusammenfassen, das einem beim Durchhören von „I Don’t Live Here Anymore” durchströmt.

The War On Drugs sind jetzt eine richtige Band und stehen sicherer als je zuvor auf dem Retro-Rock-Plateau, das sie sich mit dem Vorgänger „A Deeper Understanding“ in Vintage-Beton gegossen haben. Ausgewogen und klar sprechen die zehn neuen Stücke eine Sprache, die trotz gelegentlicher nerdiger Verweise, erstaunlich eindeutig ist. Das Schöne an den Songs auf „I Don’t Live Here Anymore” ist, dass sie sich wie guilty pleasures anhören, aber keine sind. Zusammengenommen ergeben sie das Feel-Good-Album, das man sich als Fan nur wünschen konnte und das laut Adam Granduciel auch noch eine Lanze für die Heilungskraft der guten alten Rockmusik brechen soll.

Dass „I Don’t Live Here Anymore” dazu wieder bei Atlantic erscheint, ergibt ebenso viel Sinn wie Phil Collins als Anregung zum Weiterhören auf der Homepage des Labels. Wer daran zweifelt, soll sich „I Don’t Wanna Wait“ anhören, das man ohne Scham als packend bezeichnen kann. Es beginnt als „In The Air Tonight“ und endet als „Throwing It All Away” im Americana-Gewand. Pete Townshends eigentlich ironisch gemeintes Zitat, dass Rock’n’Roll die Welt zu retten vermag, egal was in der Zukunft passiert, scheint sich hier ganz unironisch zu bewahrheiten. Zumindest für 52 Minuten ist die Welt in Ordnung.

02.04.2022 Berlin – Verti Music Hall
07.04.2022 München – Zenith
20.04.2022 Köln – Palladium
21.04.2022 Wiesbaden – Schlachthof

VÖ: 29. Oktober 2021 via Atlantic Records