Text: Säm Wagner, 27. April 2017

Es war im Sommer 2005 als Sonic Youth diesen denkwürdigen Auftritt beim Großfestival Rock im Park absolvierten. Wer auch immer die US-Krachkönige dort hinbuchte, er stellte ihnen am Nachmittag ein einstündiges Zeitfenster auf der zweitgrößten Bühne zur Verfügung. Eine Stunde, da hätten Sonic Youth der Laufkundschaft vor der Bühne natürlich kompakt und wohlklingend die besten Songs ihres neuen Albums und ein paar Greatest Hits präsentieren können. Nein, Sonic Youth taten das, was sie immer taten. Sie dehnten, sezierten und zerfrästen ihre Songs (nur sechs an der Zahl schafften sie in der gebotenen Zeit). Sie produzierten ein ungeheuerliches Lärm-Spektakel, dass darin seinen Höhepunkt fand, dass Thurston Moore immer wieder seine Gitarre in die Luft warf und die sich dann in den Bühnentraversen hoch über seinem Kopf verfing. Die Gitarre war nun selbst für den langen Lulatsch Moore nicht mehr erreichbar. Egal. Der Sonic-Youth-Kopf gab sein Arbeitsgerät auf und drehte an seinem Verstärker alle Reglern nach rechts. Statt Gitarrensaiten bearbeite er nun das entstandene, kreischende Feedback, das er durch unzählige Effektgeräte jagte und verfremdete. Himmlischer Lärm.

Das ist zwölf Jahre her. Sonic Youth, die große Avantgarde-Noise-Band der späten Achtziger und frühen Neunziger, die auch nach ihrer Hochzeit nie Kompromisse einging, seit 2011 passé.

Thurston Moore hat seit 2007 vier Soloalben aufgenommen (bereits 1995 veröffentlichte er „Psychic Hearts“). Auf den beiden Alben „Trees outside the Academy“ und „Demolished Thouths“ zeigte er sich zunächst von einer leisen, Singer-Songwriter-Seite. Erst mit „The Best Day“ fand er die Lust am sonicyouthigen Lärmen wieder. Mit der Band, mit der er „The Best Day“ aufgenommen hatte – Sonic-Youth-Drummer Steve Shelley, My-Bloody-Valentine-Bassistin Debbie Googe und Gitarrist James Sedwards – machte er sich auch an “Rock N Roll Consciousness“.

Zurück zum Krach. Was Thurston Moore nie abgelegt hat und nie ablegen wollte oder gar konnte, ist die avantgardistische Herangehenweise an seine Musik. Er lässt den Songs ganz viel Zeit (Sonic Youth schafften bei Rock im Park sechs Songs in einer Stunde, hier sind es fünf in knapp 43 Minuten) – schon beim Opener „Exalted“ nimmt er sich fast acht Minuten Zeit, bis er eine erste Strophe singt. „Rock N Roll Consciousness“ klingt ätherisch, spirituell, euphorisch, manchmal verstörend, manchmal weich, dann dröhnt es wieder. Thurston Moores neue Stücke haben alle eines gemeinsam: sie sind erhaben (eben: exalted).

20/06/2017 Hamburg – Knust
21/06/2017 Köln – Stadtgarten
30/06/2017 München – Strom
04/07/2017 Dresden – Beatpol

VÖ: 28. April 2017 via Caroline