Text: Säm Wagner, 28. Januar 2022

Zwei schwere Jahre liegen hinter uns allen. Zumindest im ersten Jahr der Pandemie entstand „Nie wieder Krieg“. Mit „Hoffnung“ wurde bereits im April 2020 ein erster Vorbote ausgekoppelt. Damals saßen wir gerade im ersten Lockdown zuhause und „Hoffnung“ spendete Trost. Danach und mit Fertigstellung des 13. Tocotronic-Albums schien sich der Kosmos der Band zu verschieben.

Die für den Sommer 2020 angekündigten „Let there be Tocotronic“-Konzerte in Potsdam („The Berlin Years 2020-2004“) und Hamburg („The Hamburg Years 2003-1993“) wurden bis heute nicht gespielt. Dafür erschien ein Best-of-Album und es gab schließlich doch ein paar Konzerte (Tocotronic führten ihre Hamburg Years unter anderem im bestuhlten Münchner Olympiastadion auf). Und bevor die Jubiläumskonzerte voraussichtlich in Potsdam und Hamburg im Herbst 2022 über die Bühne gehen, wollen Tocotronic die eigentlich für danach geplante Tour bereits zuvor spielen. What a time to be alive!

Egal, wann es wieder auf die Bühne geht, ein Jahr nach Fertigstellung erscheint nun endlich „Nie wieder Krieg“. Und „Nie wieder Krieg“ ist wohl das am ausgeklügeltsten arrangierte Album der Tocos bisher. Obwohl es auch wieder an vielen Ecken und Enden wunderbar rumpelt, die Band findet in vielen Songs überrascht sanfte und gediegene Töne. Zum Beispiel in „Ein Monster kommt am Morgen“ oder im ersten Duett der Karriere: „Ich tauche auf“, in dem Dirk von Lowtzow gemeinsam mit Soap&Skin eine Liebesgeschichte besingen, die nur zufällig an den letztjährigen Disneyfilm „Luca“ erinnert.

Wie zu Beginn ihrer Karriere nahmen Tocotronic viele Songs live auf – samt Gesang. Dazu ging es in die altehrwürdigen Hansa Studios in Berlin. Vier der sechs Songs, die die man dort in Angriff nimm, wurden dann in nur eineinhalb Tagen aufgenommen. Und: Nach einer langen Zeit der seit Beginn der Zweitausender oftmals abstrakten Texte und einer autobiografischen Platte („Die Unendlichkeit“) kehren Tocotronic zunehmen zu plakativen Slogans zurück („Jugend ohne Gott gegen Faschismus“, „Ich hasse es hier“, „Nie wieder Krieg“). Wobei der Opener „Nie wieder Krieg“ natürlich ein Anti-Kriegs-Lied über den Krieg mit den inneren Dämonen ist. Und „Jugend ohne Gott gegen Faschismus“ natürlich wieder eine wunderschöne Popkultur-Anspielung ist. Wer schafft es sonst Ödön von Horváth mit Sonic Youth in nur einem Songtitel zu vereinen? „Nie wieder Krieg“ ist eine Handreichung. Tocotronic, die in all ihren Phasen mit ihren Fans mitwuchsen, bleiben unsere Kumpane. Mit den selben Leiden und den selben Lieben und Abneigungen.

Doch auch wer den Weg nach den ersten paar Alben nicht mehr mitgehen mochte, findet auf „Nie wieder Krieg“ Trost: Die Mitsinghymne „Ich hasse es hier“ (beste Zeile: „Mit Dosenchampignons habe ich keine Chance“) hätte gut auch auf „Es ist egal, aber“ gepasst. Und auch „Nachtflug“ erinnert verdächtig an frühe Jahre und wäre gerne auch als „Die Grenzen des guten Geschmacks Teil 3“ durchgegangen. „Nie wieder Krieg“ ist ein Album zur zerrissenen und unsicheren Zeit. Ein Album das Seelentrost spendet. Zum Reinlegen.

15.06.2022 (CH) Zürich – X-tra
16.06.2022 Marburg – Schlosspark
17.06.2022 Jena – Kassablanca
18.06.2022 Kiel – Festival
29.06.2022 Erlangen – E-Werk
30.06.2022 Stuttgart – LKA Longhorn
01.07.2022 Köln – E-Werk
10.08.2022 Wiesbaden – Schlachthof
13.08.2022 Leipzig – Felsenkeller
18.08.2022 Hannover – Capitol
19.08.2022 Hamburg – Stadtpark Freilichtbühne (Hamburg Years)
20.08.2022 Berlin – Columbiahalle
31.08.2022 Magdeburg – Amo
01.09.2022 Düsseldorf – Zakk
02.09.2022 Bad Zwischenahn – Park der Gärten
03.09.2022 Potsdam – Waschhaus (Berlin Years)
07.09.2022 Dresden – Alter Schlachthof
08.09.2022 (AT) Wien – Arena (Hamburg Years)
09.09.2022 (AT) Wien – Arena (Berlin Years)
26.10.2022 Freiburg – E-Werk
22.11.2022 Dortmund – FZW
23.11.2022 Saarbrücken – Garage
24.11.2022 München – Tonhalle
22.12.2022 Hamburg – Georg-Elser-Halle

VÖ: 28. Januar 2022 via Universal Music