Text: Stefan Killer, 27. Juli 2021

Wieso Upper Wilds ihr neues Album nach der römischen Göttin der Liebe benannt haben, liegt spätestens beim Blick auf die Tracklist auf der Hand: Das knappe Dutzend Lieder auf „Venus“ ist schlicht durchnummeriert von „Love Song #1“ bis „Love Song #10“. So weit, so klar. Doch die drei Musiker haben aus den Suggestivliebesliedern etwas gemacht, das einer Lichtgeschwindigkeitsfahrt durch die neuere Musikgeschichte gleicht. Und das ohne eine Schnulze.

„Love Song #3“ ist ein gutes Beispiel. Er klingt, als hätte Bandleader Dan Friel beim Schreiben eine Zeitreise von John Denvers Veranda direkt auf die Bühne des ArcTanGent gemacht. Was sofort auffällt, sind das beinahe konsequent durchgezogene Uptempo des Albums – „Love Song #8“ bestätigt als Ausnahme die Regel – und die kunstvollen Punkrock-Riffs, die sich durch „Venus“ ziehen. Bassist Jason Binnick, der auch für den Mix des Albums verantwortlich ist, und Schlagzeuger Jeff Ottenbacher erden die Saitenflüge Friels so tight, dass dieser gelassen zu einer Pophook nach der anderen ausholen kann. Und eben das ist das Besondere an Upper Wilds.

Das Trio vermag es, augenscheinlichen Pop so wiederzugeben, als sei er nicht von dieser Welt. Doch das bedeutet nicht, dass ein Sammelsurium an Effekten den Sound auf „Venus“ prägt. Im Gegenteil: Die Klänge selbst sind gewohnt. Anders steht es um die Singlenote-Linien – sie wirken durch den starken Fuzz und die vielen Verzierungen wie ein Manifest. Hinzu kommen tatsächlich die eine oder andere Liebesgeschichte, zum Beispiel über den steinigen Weg eines NASA-Brautpaars („Love Song #7“), und die eingängigen, beinahe altbackenen, Melodien auf „Venus“. Es scheint, als hätte die Sphärenharmonie Krach geleckt.

VÖ: 23. Juli 2021 via Thrill Jockey