Text: Jan-Frederic Goltz, 23. Juni 2017

Wie könnte es auch anders sein: Die Kölner erfinden sich mal wieder neu. Nach krachigem Indie- und Kraut-Rock, experimentierfreudigem Avantgarde Jazz und Disco – meine Güte, welches Genre haben sie in den letzten 13 Jahren seit „Die uneingeschränkte Freiheit der Privaten Initiative“ eigentlich nicht bedient? – wird eine neue überraschende musikalische Richtung eingeschlagen. Welche, traut man sich gar nicht zu benennen, da eine Band wie Von Spar sie am Ende vermutlich selbst erfunden hat. Auf „Garzweiler“ kommt jedenfalls etwas elektronisch Monumentales auf einen zu. Thematisch geht es, wie es der Titel der 4-Track EP bereits verrät, um den Tagebau Garzweiler, weit im Westen Deutschlands. (Nebenbei: Das muss man als Tagebau auch erst einmal schaffen, dass eine gestandene Band einem eine Platte widmet.)

Wer nun haushohe und monströse Bagger vor seinem imaginären Auge am Horizont erspäht, liegt eher falsch. Vielmehr stellt sich ein Grundgefühl oder eine Vorstellung, die diesen Standort inhaltlich umreißen ein. Während die ersten drei Stücke wie eine Art Einleitung für den letzten Song der EP wirken, wird erst auf dem abschließenden Stück „Omónia“ deutlich, wie finster und unheimlich dieser Ort tatsächlich sein muss. Es heißt, dass ehemalige Bewohner des Gebietes zu Zwecken des Kohleabbaus regelrechte Geisterstädte zurückgelassen haben sollen. Eine unheimliche Vorstellung, mitten in Deutschland. Aber ist es wirklich so menschenleer? Verruchte Vocal-Samples gen Ende lassen etwas anderes vermuten. Ist da etwa noch jemand? Man wusste es damals als Jugendlicher ja auch nie so genau, wenn man mit seinen Freunden über Zäune kletterte, um in alte leerstehenden Fabrikhallen (Eltern haften für ihre Kinder) einzubrechen. Industrie und verlassene Häuser sind vielleicht gerade deshalb immer noch eine Anziehungskraft für elektronisch geprägte Musik und so gelingt diese Symbiose und das inhaltliche Konstrukt der EP auf 24 überraschenden Minuten eine spannende Geschichte über dieses fremde Fleckchen Erde zu erzählen und macht „Garzweiler“ jetzt schon zu einem Zeitdokument seiner selbst — ohne, dass es dafür ein dokumentarisches Bilddokument bräuchte.

VÖ: 23. Juni 2017 via Altin Village & Mine