Text: Alex Schulz, 06. Mai 2022

“the only way out from this cold unknowing is to radiate like this” — beim Indie-Quartett Warpaint war das Glas während des Aufnahmeprozesses ihrer vierten LP bewusst immer halb voll — trotz naturgemäßer Pandemie-Komplikationen. Die für ihr neues Album namensgebende Textstelle aus dem neunten Track “Melting“ soll den Musikerinnen zufolge im wahrsten Sinne des Wortes ihren hartnäckig positiven Geist ausstrahlen. Und tatsächlich schufen sie ein Album, das auf zehn konsistent ineinandergreifenden Tracks eine wunderbare Realitätsflucht bietet. Schon der Opener “Champion” entfaltet eine sofortige Sogwirkung und dient als Richtungsweiser für die Grundstimmung des Albums.

Was folgt, ist wie aus einem Guss, eine Reihe von atmosphärisch ungemein verdichteten Tracks. “Radiate Like This” wendet sich von den Club-fähigen Ausflügen des Vorgängers “Heads Up” ab, während es wieder näher an das Gefühl des großartigen 2014er Albums “Warpaint” heranrückt. Mehr noch, so gibt es nun überhaupt keine Songs, die atmosphärisch aus der Reihe tanzen — nicht einmal wie einst “Disco//Very” auf “Warpaint”. Es scheint wie eine bewusste Entscheidung der Band, auf ausgeklügelte Art und Weise auf einer Grundstimmung zu balancieren. Wie das gemeint ist, wird von den Tracks “Altar” und “Melting” gegen Ende des Albums sehr gut repräsentiert. Generell gelingt es in diesmal also in Reinform, verschiedene Genre-Einflüsse zu verflechten, ohne die Atmosphäre zu reißen.

Stärkstes Beispiel: die R’n’B Melodik in “Stevie” oder “Send Nudes”. Davon ab spielen Warpaint natürlich hörbar in gewohnten Gefilden zwischen Dream-Pop, Art-Rock und Shoegaze. Gerade dem Genre des Dream-Pop können die Damen erneut ihre ganz eigene Signatur geben. Es ist kein sphärischer Synth-Pop Einschlag à la Beach House, kein puristischer Minimalismus wie bei The XX, sondern dieselbe Mixtur, mit der man 2010 mit dem Debüt “Fools” angefangen hat — nur jetzt im besten Reifegrad. Auch das mitunter elektronische Geklicker und Geklapper wurde verlässlich als lieb gewonnenes Stilelement aus der Diskografie beibehalten. Hervorzuheben sind außerdem die stilprägenden Drums, getrieben von Stella Mozgawa, die nicht umsonst inzwischen bei Künstlern wie Courtney Barnett oder Kurt Vile als musikalischer Support gefragt ist.

Die Veröffentlichung von “Radiate Like This” wurde im Übrigen zugunsten der Möglichkeit einer direkt anschließenden Live-Tour zurückgehalten. So harrte die Band also lange Zeit der Pandemie trotz fertigen Albums in gespannter Wartestellung aus. Eine überaus charmante Entscheidung, die nur untermauert, dass sich ein Live-Auftritt mehr als lohnen wird, da auf der Bühne unter Garantie so einiges an Energie freigesetzt werden muss. Zwei Tage zuvor noch im renommierten Round House in London zu Gast, werden ab dem 20. Mai (also in Kürze!) auch die Deutschlandtermine in Berlin, Köln und Hamburg anstehen. Es gibt noch Karten. Mehr muss hier sicher nicht gesagt werden.

20.05.2022 Berlin – Huxleys
21.05.2022 Köln – Live Music Hall
22.05.2022 Hamburg – Fabrik

VÖ: 06. Mai 2022 via Heirlooms/Virgin Music