Text: Christoph Walter, 29. Juli 2022

Das gute, alte Album ist mal wieder in seiner Existenz bedroht. Nachdem das altehrwürdige Format aber entgegen aller Voraussagen weder von Musicbox und 7-Inch-Vinyl noch Maxi-CD und Mp3 in die Knie gezwungen wurde, bedeutet die Spotify-Playlist nun aber wirklich das Ende. Sagen zumindest diejenigen, die schon immer alles besser gewusst (und sich dabei meistens geirrt) haben.

Egal, welche musikalische Darreichungsform man selbst bevorzugt: „Male Models“ von Wilder Maker ist sowohl für Playlist-Propheten als auch Album-Nostalgiker gleichermaßen ein Vergnügen. Letztlich ist die neue Platte der New Yorker Band um Gabriel Birnbaum eine LP-gewordene Playlist, die sowohl thematisch (von Thin Lizzy über positive Männlichkeit bis hin zum Schriftsteller James Salter und den NBA-Playoffs ist fast alles dabei) als auch stilistisch eine enorme Bandbreite bietet. Letzteres liegt auch daran, dass Frontmann Birnbaum auf gut der Hälfte der zwölf Songs das Mikrofon an Kolleginnen und Kollegen weiterreicht, die neben ihrer Gesangsstimme auch ihre eigenen musikalischen Ideen mit einbringen.

Die Stücke, in denen Gabriel Birnbaum am Ruder ist, sind irgendwo zwischen Indie-, Blues- und Southern-Rock einzuordnen — Hauptsache, irgendetwas mit verzerrten E-Gitarren. Bei den Gastbeiträgen geht es oft etwas ruhiger, vor allem aber deutlich vielseitiger zu. Felicia Douglass liefert mit „A Professional“ perfekten Synthiepop, Katie von Schleicher mit „Silver Car“ eine sehr reizvolle Mixtur aus Americana und Dreampop. Bei „O Anna“ kommt dank Counting-Crows-Frontmann Adam Duritz gleich ein Hauch von Neunziger-Nostalgie auf, während Jordan Lee alias Mutual Benefit („New Anxiety“) und Alex Schaaf von Yellow Ostrich („Surfers Trace“) vollendetes Lo-Fi-Songwritertum zelebrieren.

Kurzum: Mit „Male Models“ ist Wilder Maker eine äußerst kurzweilige, wenn auch nicht durchgängig hochklassige Platte gelungen. Mehr Abwechslungsreichtum geht kaum — erst recht nicht, wenn man sich das nervige Zusammenstellen einer eigenen Playlist ersparen möchte.

VÖ: 29. Juli 2022 via Western Vinyl