Text: Stefan Killer, 21. Januar 2022

Wenn es neben Wet Leg Newcomer gibt, an denen 2022 kaum jemand vorbeikommt, sind es die vier Musikanten von Yard Act. Sie fingen als WG-Duo vor dem pandemischen Ausnahmezustand an, begeisterten währenddessen die ersten Fans beim Geschmacksgarant Radio 6 Music und stehen jetzt vor ihrer Feuertaufe: Ist „The Overload“, ihr Debüt, ein Album, das auch nach der Pandemie funktioniert? Zumindest der zynische Groove für die soziale Wiedereingliederung hilft.

„It appears I’ve become so, so rich, I’m literally drowning in it“, erzählt Sänger James Smith in „Rich“ mit ironischem Unterton und trifft damit den Nerv der Zeit. Die vergangenen zwei Jahre haben schließlich krasser als je zuvor gezeigt, wie das reichste Prozent der Menschen selbst während einer Pandemie immer reicher werden kann und neunundneunzig die Anträge um die Reste stellen müssen. Zusammen mit Ryan Needham (Bass), Sam Shjipstone (Gitarre) und Jay Russell (Schlagzeug) kommentiert James Smith derartiges Zeitgeschehen in unterhaltsamer Spoken-Word-Manier.

Bloß nicht zu wichtig nehmen

Doch bitte nicht beirren lassen, die Musik von Yard Act soll weder pathetisch noch belehrend wirken. Der Band geht es ums Aufarbeiten desolater Gesellschaftsstrukturen im Stil der Generation Facebook: Nicken, lächeln, Arschloch denken. Mit „Ba-ba-ba-ba-bow“ auf den Lippen und dem Bass als lamentierende Konstante sollen wir uns alle ins eigene Selbstbewusstsein grooven („Land of the Blind“) und gleichzeitig nicht zu wichtig nehmen. Dabei ist zu erwähnen, dass sich Yard Act natürlich wichtig nimmt und des britischen Understatements gewissermaßen bedient: Wer Song für Song minutenlang kommentiert, witzelt, vorträgt, weiß höchstwahrscheinlich um seine mächtige Position.

Die scheint allerdings tatsächlich nicht so wichtig. Ginge es Yard Act nur um Aufmerksamkeit, die Band hätte so launig versierte Gitarrenarrangements wie den Titeltrack nicht nötig. Und Pandemie-Karriere hin oder her, Yard Act wird auch über die Krisenzeit hinaus von sich reden machen. Denn kaum eine neue Musikgruppe hat es in den vergangenen Jahren geschafft, Alltag und Spannung, Indie und Postpunk, Wohlklang und Kontra so gekonnt zu fusionieren. „The Overload“ ist ein Debüt, das im Kopf bleibt.

Außerdem freuen wir uns sehr, ein neues Open Tape präsentieren zu dürfen: Von genau jener Band aus Leeds. Wir bedanken uns recht herzlich für diese sehr tolle Zusammenstellung und empfehlen einen ausgiebigen Lausch der knapp 40 Minuten. Enjoy!

05.02.2022 Hamburg – Molotow
09.02.2022 Berlin – Badehaus
10.02.2022 Köln – Blue Shell

VÖ: 21. Januar 2022 via Zen F.C.