Text: Jan-Frederic Goltz, 17. Januar 2020

Holy Fuck! Das geht gut los. Four-to-the-Floor Schlagzeug-Beats paaren sich mit wabernden Sägezahn Arpeggio-Bass-Synthesizern. Das geht unmittelbar in Ohr und Fuß. Erster Gedanke: Klingt wie die Reinkarnation von LCD Soundsystem (Luxe ft. Alexis Taylor). Oder der technodiden Version von !!! (Chk Chk Chk). Oder aber einem braven und weniger abstrakten und exzessiven James Pants (Endless).

„Deleter“ ist das nunmehr fünfte Studioalbum der Kanadier. Um ehrlich zu sein wusste nicht einmal, dass sie überhaupt eins gemacht haben, wobei die Band in ihrer 15-jährigen Karriere sogar etwas zu den Soundtracks von Breaking Bad und Mr Robot beigesteuert hat. Der Soundteppich des Albums ist dicht gewebt und öffnet sich partiell für die obligatorischen und treibende 16tel Hi Hats oder für lang nachhallende, sphärische Synthie-Klänge – das erzeugt den typischen Duktus des nimmermüden Indie-Disco-Gehen-Genres, das ein wenig an das letzte Jahrzehnt erinnert. Gar nicht schlimm, gar nicht mal so schlecht. Denn wie gesagt, geht es vor allem ins Bein (zuckt angenehm) und dann in den Kopf. Denn was Holy Fuck wirklich gut machen, sind einprägsame Melodien abliefern.

Bandmitglied Brian Borchert steht zu diesem Konzept. Die zehn Stücke auf „Deleter“ seien gar so etwas wie der Sound seiner Adoleszenz. In wie weit sich eben jener Sound von früheren Holy Fuck Alben und Titeln unterscheidet, kann ich an dieser Stelle leider nicht beurteilen. Stücke wie „Moment“ oder „Near Mint“ sind mit die komplexesten des Albums. Genre? Keine Ahnung. Vielleicht eine krude Mischung aus Kraut und experimental-Dance-Post-Indie-Rock.

Reduziert und – pardon – aufs Maul geht es bei „No Error“ zu: Verzerrte und übersteuerte Vocals, sowie grobschlächtige Basslines tun ihr Übriges. Düster vertrackt wird es bei „San Sebastian“. Dort war ich übrigens letztes Jahr im Urlaub, falls das wen interessiert. Ob das kleine, leicht spießige Surfer-Örtchen im Norden Spaniens tatsächlich gemeint ist, wage ich zu bezweifeln. Viel zu verträumt, ganz im Gegensatz zum aggressivsten und bei weitem unmelodiösesten Stück der Platte.

Alles in Allem: Wem etwas am Sound der 2010er Jahre liegt, sei die neue Scheibe wärmstens ans Herz gelegt. Dass das alles auch schon wieder ein Jahrzehnt her sein soll ist mir unbegreiflich – aber „Deleter“ ist in jedem Fall ein guter Start in die (neuen) 20er Jahre. Alles kommt ja wieder, manchmal sogar etwas besser und ausgefeilter, Holy Fuck sind der Beweis.

VÖ: 17. Januar 2020 via Last Gang Records