Text: David Maneke, 18. April 2019

Zwischen Happy und I hate myself and i want to die erstrecken sich emotionale Galaxien. Melby aus Stockholm sind als Beobachter losgezogen, die geometrische Mitte beider Pole auszuloten. Das am Freitag erschienene Debütalbum „None Of This Makes Me Worry“ ist eine atmosphärisch komplexe Bilanz unserer Zeit.

Mit genauem Blick aber erkennt man Differenzen, die aufs erste zu verschwimmen scheinen. Das Album steht nicht für die eine Emotion, wie es andere musikalische Ikonen durchaus taten (St. Anger, anyone?), sondern für das Zerren am Hörer – mal droht die Stimmung etwas zu arg in die anachronistische Tristesse abzudriften, deren kulturgeschichtliche Halbwertszeit in der Gestalt eines kultivierten Lebensgefühl irgendwann in den Nullerjahren abgelaufen sein sollte; mal wiederum wird ein leichter Funken stiller Euphorie aber mal ganz schnell wieder abgelöscht, um jetzt bloß nicht die Zügel aus der Hand zu geben.

Ein behutsamer Blick in die eigene Tradition, popmusikalische Ästhetiken aufs Prinzip runtergebrochen und das schlägt sich ja auch schon im Titel wider: „None Of This Makes Me Worry“. Das ist nun erstmal ein ganz beruhigendes Urteil, gleichzeitig aber auch Teil des autoreflexiven Systems, das auch nicht ohne Distinktion funktioniert. Die Grunger und Emos zum Beispiel waren leidende Menschen, haben dieses Leiden zelebriert, zum x-ten Mal zur Kunst erhoben und das funktionierte ja doch immer schon (Werther, anyone?). Und es wurde ja dann auch vielfach wieder überwunden, und eine solche These stellt „None Of This Makes Me Worry“ jetzt als Bilanz in den Raum. Das Urteil steht über einer mit den Mitteln der Popmusik argumentierten Kette, die uns sagt: wir kontemporären Menschen sind weiter gekommen, sind nicht mehr nur für die manische Euphorie zu haben, noch ausschließlich Repräsentanten für das Elend der Welt. Alles zu seiner Zeit, alles in seinem Moment. Aber nie unwidersprochen, die Balance ist von (ästhetischer!) Bedeutung.

Melby kommentieren also ihre eigene Genealogie. „None Of This Makes Me Worry“ ist nicht revolutionär, kein Wendepunkt der Popmusik. Es ist der Versuch, Bilanz über eine popmusikalische Tradition zu ziehen, die ihren Antrieb nicht aus der starken Abbildung einer einzelnen Stimmung zieht, sondern aus dem Spiel mit der natürlichen Ambivalenz von Emotionen. Dieses Spiel wurde in Stockholm bereits im Jahr 2006 einmal fulminant gespielt, nämlich als Peter, Björn and John den Überhit „Young Folks“ auf den Weg schickten. Melby schicken auf „None Of This Makes Me Worry“ in „Overthinking“ einen Seelenverwandten hinterher.

27.04.2019 Bernburg – Hotel Wien
28.04.2019 Hamburg – Nachtasyl

VÖ: 12. April 2019 via Sinnbus