Text: Christoph Walter, 25. Februar 2022

Selbst für isländische Verhältnisse sind die Westfjorde eine recht abgelegene, dünn besiedelte Gegend. Junge Menschen, die ihre Zukunft nicht unbedingt in der Landwirtschaft oder Fischerei sehen, zieht es zwangsläufig irgendwann fort, nach Reykjavík oder gleich nach Dänemark. Dort ist natürlich auch nicht alles Gold, was glänzt. Einsamkeit, Orientierungslosigkeit und die Notwendigkeit, immer von irgendwo oder irgendwem Abschied nehmen zu müssen, sind Schattenseiten, die auch Árný Margrét, die aus dem Städtchen Ísafjörður in den Westfjorden stammt, nur allzu bekannt sind. Von vielen persönlichen Erfahrungen der letzten Jahre ist „Intertwined“ geprägt, die formidable Debüt-EP der 20-jährigen Musikerin.

Völlig Neues haben die vier größtenteils auf die einnehmende Stimme der Isländerin und Gitarrenbegleitung reduzierten Stücke natürlich nicht zu bieten. Trotzdem lässt einen „Intertwined“ nur schwer wieder los und hebt sich damit wohltuend von den meisten anderen Veröffentlichungen des Singer-Songwriter-Genres ab. Schon jetzt darf man Árný Margrét zu ihrer unverkennbaren Handschrift gratulieren — egal, ob bei den eigenen Songs oder dem hervorragenden Cover von John Hartfords Country-Klassiker „In Tall Buildings“ — und gespannt den kommenden Veröffentlichungen entgegenfiebern.

Die Fußstapfen ihrer Vorbilder Adrianne Lenker, Aldous Harding und Ásgeir (schon jetzt ihr Labelkollege bei One Little Independent Records) mögen zwar groß sein, aber angesichts des mehr als überzeugenden Debüts ist es der jungen Isländerin durchaus zuzutrauen, dass sie sie schon bald ausfüllen wird.

VÖ: 25. Februar 2022 via One Little Independent Records