Text: Christoph Walter, 21. Oktober 2022

Alle sprechen über das Wetter. Bei uns in diesem Herbst und Winter vor allem wegen der in bedrohliche Höhen steigenden Heizkosten, auf der isländischen Halbinsel Westfjord schon immer aus existenziellen Gründen. Auf einem abgelegenen, den Launen der Natur schonungslos ausgesetzten Stückchen Land ist es schließlich eine absolute Notwendigkeit, den Himmel und das Meer genau im Blick zu haben. Davon, dass diese oft überlebenswichtige Fixierung aufs Wetter auch eine Art Gefängnis ist, kann Árný Margrét im wahrsten Sinne des Wortes ein Lied singen.

Den Jüngeren bleibt kaum etwas anderes übrig, als den kleinen Ortschaften des Westfjords irgendwann zumindest für eine längere Weile den Rücken zu kehren und anderswo zur Schule zu gehen, zu studieren oder zu arbeiten. In diesem Anderswo, für junge Isländerinnen und Isländer gerne eine der größeren Städte Dänemarks, herrscht dann auch meistens wieder nur Wetter – aber eben nicht vor atemberaubender Naturkulisse, sondern vor dem Fenster einer grauen Mietskaserne in einer Stadt, in der man niemanden kennt und in die man eigentlich niemals wollte. Um den Zwiespalt zwischen bleiben und unbedingt wegwollen geht es in den meisten der Stücke auf Árný Margréts Debütalbum „They Only Talk About The Weather“ – treffend auf den Punkt gebracht mit einer Zeile im Titelsong: „I hate to leave / and I hate to stay“.

Inhaltlich wie musikalisch knüpft die Isländerin mit ihrer ersten LP nahtlos an die tolle EP „Intertwined“ aus dem Frühjahr an. Gesang und Akustikgitarre stehen nach wie vor im Mittelpunkt, allerdings wirkt das Album streckenweise ein wenig ausgefeilter. Trotzdem werden andere Instrumente wie E-Gitarre, Schlagzeug oder das hingetupfte Piano im famosen „Sníglar“ weiterhin sehr behutsam eingesetzt. Die große Besetzung braucht es aber auch gar nicht, um die maximale Wirkung zu erzielen.

„They Only Talk About The Weather“ ist die Platte geworden, die man sich von Árný Margrét nach den ersten sehr positiven Eindrücken gewünscht hatte. Nachdenklich, berührend, gelegentlich so lässig wie Cat Power und dabei immer so wärmend wie einer dieser unverwüstlichen isländischen Pullover. Ein Album, mit dem man sicher durch die kalte Jahreszeit kommt.

VÖ: 21. Oktober 2022 via One Little Independent Records