Text: David Maneke, 16. August 2022

Die Frage danach, ob Punk nun wirklich tot ist, oder sich ständig neu erfindet, ist fast so alt wie Punk selbst. Seit 1978 wird Punk an den Monitor geschrieben, und was anfangs rigorosestes Gatekeeping von Ultra-Puristen war, ist je nach Perspektive seit zwei oder mehr Jahrzehnten eine durchaus legitime Frage. Zugegeben, das Phänomen Punk ist deutlich zu groß, um auch nur im Entferntesten zu generalisieren, aber lasst es uns doch mit der Sprachregelung von Wikipedia halten: Wir reden also nicht unbedingt von einer Attitüde, die in ihrer respektlosen, autoritätsverachtenden und ausnehmend kreativen Charakteristik zeitlos ist – wir reden von einer Stilrichtung der Rockmusik.

Ich höre den Leser gähnen, während ich das schreibe. Aber eben nicht zu Unrecht, denn als Stilrichtung wird es so langsam aber sicher zu einer stilistischen Herausforderung, um den Hörer (so er nicht die Hard-Verfechter der gleichen Diskografie wie schon vor 15 Jahren ist) nicht völlig zu langweilen. Vereinzelt kommen dann Generational Masterpiece – artige Resultate zustande (Fucked Ups „David comes to life“ von 2011 würde ich wohl als Beispiel heranziehen).

Die These ist allerdings eine andere: Die überwältigende Mehrzahl von neu veröffentlichten Punk-Alben ist entweder todsterbenslangweilig, weil der Versuch den „Spirit of [Jahreszahl prä 1995 einsetzen]“ zu beschwören ruckzuck epigonal wird, oder verliert sich in Mucker-Gefrickel, der dann eben so gar nicht mehr Punk ist. Das muss ja beides nichtmal schlecht sein, aber sobald ein künstlerisches Anspruchsdenken ins Spiel kommt, scheitert so etwas. Aber gut, dass eine musikalische Strömung nach über 50 Jahren so langsam den Anschluss an die Avantgarde verliert, mag irgendwo nahe liegen.

Und in diesen lang gehegten und bedachten Gedankengang kicken mir jetzt die Beach Rats hinein. Dabei handelt es sich um ein Spaß-Nebenprojekt mit einem beachtlichen Stammbaum – die bisherigen Stationen einzelner Mitglieder umfassen mit Minor Threat, Bad Religion und den Bouncing Souls einen massiven Teil der US-amerikanischen Punkrock-Historie. „Rat Beat“ heißt das Album, und irgendwie klingen die einzelnen Bausteine doch reichlich vertraut. Der Gesang ist stereotypischer 90er Jahre amerikanisches Punkrockgekrähe. Man übertreibt es nicht mit der Harmonielehre, ein musiktheoretisch geschulterer Rezensent könnte wohl guten Gewissens von den viel beschworenen drei Akkorden reden. Begleitet wird das Ganze von Drumpatterns, die man sonst von steinhartem, humorlosen HC-Punk gewohnt ist.

Was aber wahrhaftig heraussticht, ist die unglaubliche Leichtigkeit der Platte. Von den 12 Songs sind genau zwei länger als zwei Minuten und über die gesamte Dauer wird man das Gefühl nicht los, dass irgendeiner der Beteiligten eine längere Zeit hinweg heimlich Surfrock gehört hat. Irgendwo schleicht sich eine Lässigkeit in die Tracks, die so unfassbar wohltuend ist, dass Rat Beat zu den schönsten Punk-Platten der letzten Jahre gezählt werden darf. Und genauer greifen als „irgendwie wie eine gute HC-Platte, nur ohne diese elende Verbissenheit“ kann ich es nicht.

Das Schöne daran ist, dass „Rat Beat“ eben nicht mit dem Anspruch angetreten ist, das von mir beschworene Generational Masterpiece zu sein. Jede einzelne Beach Rat hat beileibe genug erlebt, als dass man jetzt noch irgendwas zu beweisen hätte – und so schaffen eine Handvoll Altpunks um die 50 das, was viele ihrer jüngeren Stilgenossen nicht schaffen; sie pfeifen nämlich komplett darauf, was Typen wie ich so denken, und machen einfach nur das worauf sie gerade Bock haben.

VÖ: 29. Juli 2022 via Epitaph Records