Text: Julian Tröndle, 12. November 2021

Im Grunde waren die Alben der australischen Songwriterin Courtney Barnett schon immer eine als Pop verkappte Lebenshilfe für Menschen mit Schilddrüsenunterfunktion. Zumindest ziehen sich das Problem der chronischen Antriebslosigkeit sowie der Umgang mit angstvollen Gefühlen der Insuffizienz als unterschwellige Leitthemen durch all ihre Platten. Ob sie nun wie in ihrem Frühwerk einen Anruf der besorgten Eltern persifliert („Are You Looking After Yourself?“) oder die heimgärtnerischen Ambitionen in einem Kreislaufkollaps enden lässt („Avant Gardener“) – die autofiktionale Lakonie ihrer Lyrics bot trotz ironisierender Sollbruchstellen ihren Leidensgenoss*innen stets ein wärmendes Gefühl der Solidarität, welches bereits im Abschlusssong ihres letzten Albums in der Zeile „Keep on keepin‘ on, you know you’re not alone“ kulminierte.

Ihr neues Album scheint diese funktionale Bedeutung ihres Songwritings für ihre weltweite und stetig wachsende Slacker-Community noch ernster zu nehmen als bisher: Ein Song bezieht sich beispielsweise auf eine zunächst trivial anmutenden Technik zur Überwindung depressiver Episoden („Write A List Of Things To Look Forward To“), welche ihr einst eine Freundin im Geheimen anvertraute und die nun auf dem Album gänzlich ohne Spuren distanzierender Ironie als Konzept des gleichnamigen Songs fungiert. In „Take It Day By Day“ verwandelt sie sich dann tatsächlich in eine Art Motivationscoachin, deren angenehm ambitionsadaptierte Philosophie auf den Prinzipien der Kleinschrittigkeit und der Grundbedürfnisbefriedigung zu beruhen scheint:

Take it day by day / You gotta put one foot in front of the other (…) Tuesday night I’m checkin‘ in / Just to see how you’re goin‘ / Are you good? Are you eating? / I call you back next week

Auch musikalisch agiert Barnett deutlich diskreter als noch auf den zwei – zählt mal die Doppel-EP aus dem Jahr 2012 mit: drei – Vorgängeralben. Zwar bezieht sie sich ästhetisch nach wie vor auf den Gitarren-Pop der 80er und 90er; als Referenzen diente ihr dieses Mal aber offenbar weniger der Frühkatalog von Sub Pop als das melancholische Songwriting von R.E.M. oder The Chills. Unter dem Einfluss ihrer Produzentin Stella Mozgawa sind jedenfalls die eruptiven Grunge-Gitarren den gleichsam ungewohnten wie unaufdringlichen Perkussionsspielereien von Drumcomputern, Congas und Cowbells gewichen. Fans ihrer extrovertierten Ausbrüche werden auf „Things Take Time, Take Time“ daher kaum auf ihre Kosten kommen; allen anderen – besonders jenen, denen der herbstbedingte Blues und Vitamin-D-Mangel an den Energiereserven nagt – breitet Barnett wieder fürsorglich ihre Arme aus und beruhigt sie mit einem aktualisierten Solidaritätsversprechen:

At the end of the day / You’re awake with your thoughts / And I don’t want you to be alone

VÖ: 12. November 2021 via Mom + Pop Music